George R. R. Martin: Planetenwanderer (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 11. Juni 2013 10:34

George R. R. Martin
Planetenwanderer
(Tuf Voyaging, 1986)
Deutsche Übersetzung von Berit Neumann
Heyne, 2013, Paperback, 512 Seiten. 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-31494-8 (auch als eBook erhältlich)
Von Gunther Barnewald
Mit der Fantasyserie „Das Lied von Eis und Feuer“ kam George R. R. Martin zu Bestsellerehren und wurde, auch dank der erfolgreichen Verfilmung, einem größeren Publikum bekannt. Doch bevor Martin der Durchbruch bei der breiten Lesermasse gelang, schrieb er wunderbar traurig-melancholische Kurzgeschichten und sehr innovative Romane (wie Zum Beispiel „Fevre Dream“, eine Geschichte unter Vampiren, die zur Zeit des US-amerikanischen Bürgerkriegs und der berühmten Mississippi-Dampfboote spielt), die sich oft durch ihre kreativen Einfälle und die bunten Sujets auszeichneten.
So auch sein Erstling „The Dying of the Flame“ (dt. als „Die Flamme erlischt“), der mit dem vorliegende Episodenroman vor allem gemein hat, dass ein fremdartig wirkender Kosmos mit viel Verve vorgestellt und glaubhaft beschrieben wird.
Erzählt wird in „Planetenwanderer“ die Geschichte des Weltraumhändlers Haviland Tuf, eines steifen Stutzers par excellence, der in seiner Manieriertheit stark an eine der wunderbaren Figuren des gerade verstorbenen Phantastik- und Krimiautors Jack Vance erinnert (so Zum Beispiel an den wunderbaren Apollon Zamp aus „Showbootwelt“). Tuf, den nichts so leicht aus der Ruhe bringen kann, und der sich vor einem heranstürmenden Tyrannosaurus rex auch schon einmal unter einer fest verschraubten Arbeitsplatte versteckt, ist ein wahrlich liebenswert-schräger Charakter, dessen Abenteuer der Leser gerne verfolgt.
Angeworben wurde Tuf ursprünglich, um ein gigantisches Relikt im Weltraum aufzustöbern und in Besitz zu nehmen, begleitet von einer Gruppe Abenteurer, die sich bald gegenseitig an die Gurgel gehen und auch Tufs Leben bedrohen... Bald findet sich der Händler wieder auf einem Jahrtausende alten Saatschiff, welches die Geschicke vieler Planeten zu beeinflussen in der Lage ist und mit dessen Besitz er gewaltige Begehrlichkeiten bei ganzen Planetenregierungen weckt...
Das vorliegende Werk, welches in dieser Form gesammelt in den USA erstmals 1986 (!) veröffentlicht wurde, zeichnet sich, neben der abenteuerlichen Atmosphäre, den glaubhaften Charakteren (vor allem in der ersten Episode) und den bizarren Sujets vor allem durch hervorragende Ideen aus. Egal ob es um die Kampfspiele auf dem Planeten Lyronica geht („Bestien für Norn”), oder um das Bevölkerungsproblem auf S’uthlam, mit dem Tuf gleich mehrfach konfrontiert wird (hier zeigt Martin, welch verheerenden Einfluss religiöse Ideologien auf die Vernunft und damit auf das Wohl einer ganzen Planetenbevölkerung haben können), dem Autor gelingen frappierende Blicke in fremde Kulturen und Glaubenssysteme.
Dabei ist sowohl der Unterhaltungswert der einzelnen Novellen als auch der Schauwert der von Martin beim phantasiebegabten Leser geschaffenen Bilder (zum Beispiel die Reise Tufs über und durch die Megalopolis, die S’uthlam komplett bedeckt) enorm. Der Episodencharakter ist dabei eine Herausforderung für den Ideenreichtum des Autors, welche dieser mit Bravour meistert. Zwar sind alle Episoden der hier veröffentlichten Gesamtausgabe bereits einzeln in diversen Anthologien in Deutschland erschienen, dies aber verstreut über so viele Verlage (unter anderem bei Knaur, Heyne, Moewig; bei „Alien Contakt” erschienen dann die letzten, bis dato noch nicht in Deutschland veröffentlichten Geschichten), dass selbst die meisten Kenner des Genres den Überblick verloren haben dürften.
Dank des Heyne Verlags und Martins Status als Bestsellerautor darf sich der Leser hier überzeugen, dass der Autor wirklich ein genialer und einfallsreicher Geschichtenerfinder und -erzähler ist.
Der vorliegende Episodenroman gehört zweifellos zu den besten Werken des George R. R. Martin.