Cory Doctorow: Pirate Cinema (Buch)

Cory Doctorow
Pirate Cinema
Tor Teen, 2012, Hardcover, ca. 384 Seiten, ca. 15.99 EUR (auch als eBook erhältlich)

Von Oliver Naujoks

Langsam kennt man seinen Doctorow. Menschen auf der Straße und Squatter kennen wir schon aus „Makers“, und Jugendrebellion vs. böse Erwachsene sorgte für seinen Durchbruch in „Little Brother“.

Diesmal ist die Handlung nach England (seiner Wahlheimat seit einiger Zeit) verlegt und handelt von einem Jungen namens Trent, der gerne im Internet Mash-Ups aus Filmclips zusammenschneidet und aufgrund eines neuen Urheberrechts-Gesetzes (der Roman ist eine Dystopie) dafür sorgt, dass die ganze Familie ein Jahr vom Internet abgeklemmt wird. Papa verliert seinen Job, Mama kann nicht mehr nach für sie wichtigen Behandlungen googeln und erleidet ein Jahr Schmerzen, Trent selbst haut von zu Hause ab und schließt sich Obdachlosen an – aber Obdachlosen 2.0: Geld einwerben wird durch Marketing-Tricks perfektioniert und dank Containerer-Methoden steht auch immer was Wohlschmeckendes auf dem Tisch. Nachts führt man auf Friedhöfen und in verlassenen U-Bahnstationen vor begeistertem Publikum seine Film Mash-Ups vor – bis der böse Staat zuschlägt und das Urheberrecht durchsetzt…

Jeder, der mehr als eine Kolumne des Autors gelesen hat, weiß, dass das Thema Internet und Urheberrecht Doctorows Herzensangelegenheit ist. Das schadet dem Roman, denn manchmal gehen Doctorow die Gäule durch, sowohl im Umfang seiner politischen Predigten, als auch in ihrer selbst für Jugendlichen leicht zu durchschauenden Einseitigkeit: Hier die Freiheit, Jugend und Kulturflatrate, auf der anderen Seite die bornierte 'old content dinosaurs' (O-Zitat) – bitte hissen Sie die Piratenflagge hier. Unter diesem Predigt-Wust leiden auch die typischen Jugendroman-Elemente wie die erste Liebe und Konflikte mit den Eltern, die etwas arg schematisch abgehakt wirken. Deshalb geht dem Roman, der irgendwann auch auf der Stelle tritt und sich zu wiederholen beginnt, nach der Hälfte etwas die Luft aus.

Nichtsdestotrotz: Ein Doctorow ist immer gut lesbar. Sympathische Figuren, auf fast jeder Seite lugt eine interessante Idee hervor, der flüssige Schreibstil – letztlich ist Doctorow einfach ein zu intelligenter Autor und man meint als Leser immer, „am Puls der Zeit“ entlang zu lesen um sich nicht unterhalten zu fühlen. Interessant ist, dass ein Autor, der in diesem Roman so sehr für Mut gegen bestehende Rechtslagen wirbt, fast sämtliche Nennungen aktueller Popkulturprodukte meidet und sich in als Erzähltechnik altbacken wirkende fiktiven Namen von Filmen (darunter eine 18teilige Hollywood-Adaption einer japanischen Neu-Interpretation der „Drei Musketiere“ – puh; wohl ein Seitenhieb gegen Paul & Milla.:.?), Schauspielern und auch Internet-Phänomenen ergeht. Da war Stephen King vor 35 Jahren schon weiter.

Sein „Little Brother“-Erfolg sei ihm mehr als gegönnt, der Autor möge aber umsichtig darauf achten, sich jetzt nicht zu sehr auf dieser Erfolgsformel auszuruhen. Am besten ist er immer dann, wenn er staunend neue Ideen präsentiert – und sich mit seinen politischen Predigten in der geballten Form in seine Kolumnen austobt, damit sie seine Romane nicht so überlagern. Die Ehrenmitgliedschaft bei den Piraten dürfte ihm auch so sicher sein, der Roman dürfte in dieser Partei schnell Pflichtlektüre werden.