Edward Lee: Flesh Gothic (Buch)

Edward Lee
Flesh Gothic
(Flesh Gothic)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Michael Krug
Titelillustration von Danielle Tunstall
Festa, 2012, Taschenbuch, 444 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-163-7 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Was macht man, wenn man Geld wie Heu hat? Man erfüllt sich Wünsche. Für Reginald Hidreth, Multimilliardär und Anhänger der Dunklen Künste, hieß dies nicht nur, seiner Frau neue Brüste zu spendieren, sondern sich eine Villa mit 66 Räumen und 13 Schlafzimmern, ein Luxusanwesen in den Florida Hills, zuzulegen. Dann noch eine florierende Porno-Filmagentur kaufen, und er konnte seinen voyeuristischen Neigungen bis zum Exzess nachgehen.

Ob er den teuer, von den besten Schönheitschirurgen des Landes aufgerüsteten Darstellerinnen seiner Filme zusah, oder den Crack-Süchtigen von der Straße, die er in sein Anwesen einlud, der Anblick nackten, kopulierenden Fleisches machte ihn an. Dabei waren Perversionen ein Muss, Sodomie, Drogen, Fäkalgenuss –-nichts, was es in der Villa nicht reichlich gab.

Sie bemerken die Vergangenheitsform? Eines Nachts, am 3. April, nahm sich der Okkultist eine Axt und ermordete alle seine Gäste. Er schlug ihnen Gliedmaßen und Köpfe ab, badete sprichwörtlich in Blut und verschwand dann spurlos. Seine reiche Witwe sorgte dafür, dass ein leerer Sarg auf dem Anwesen beigesetzt wird und sie will wissen, wo ihr Gatte abgeblieben ist. Flux hat sie ein illustre Runde von Spezialisten engagiert: einen früherer Priester. der auf der ganzen Welt Exorzismen durchgeführt hat, zwei Medien, einen Mann, der mittels ausgeklügelter Technik dem Mysteriösen auf die Spur kommt, und einen Schriftsteller. Sie aller werden durch reichlich Bares dazu bewegt, in der Villa zu nächtigen und diese zu untersuchen. Doch damit nicht genug, auch ein früherer Polizist, der im Auftrag der Eltern eines der Mädchen, die in der Villa ein und ausgingen und diese überwachen sollte, ist den unheimlichen Vorgängen auf der Spur. War oder ist der Milliardär nur ein durchgeknallter Spinner, oder ist dessen Obsession für Belarius, den Satan zum Dämon der Fleischeslust erhoben hat, Wirklichkeit und die Villa sein Tempel auf Erden?

Edward Lee provoziert gerne. In seinen Romanen, die der ehemalige Polizist in aller Regel in den Südstaaten der USA ansiedelt, berichtet er uns gerne und ausgiebig von Tätern, die ihre sexuellen Obsessionen ausleben und dabei über Leichen gehen. Lee kokettiert dabei gerne mit dem Undenkbaren – sexuelle Handlungen an Toten ist dabei ebenso ein Thema wie extremer Sado-Maso in Verbindung mit Einflussnahme von Dämonen.

Vorliegend geht er einen ähnlichen, aber doch einen anderen Weg. Der plakativ und detailreich beschriebene perverse Akt steht lange nicht so sehr im Vordergrund, wie in anderen Romanen des Autors, und auch das abgelegene Dorf mit seinen hinterwäldlerischen Bewohnern, den Rednecks, taucht nicht auf. Zwar berichtet Lee uns auch vorliegend wieder von sexuellen Ausschweifungen, von Lust und Schmerz, abartigen Neigungen und Drogenrausch, nutzt diese Kulisse dann aber, um uns mit einer spannend aufgezogene Krimihandlung zu unterhalten. Es geht um die Aufklärung, was in der Villa passiert ist, welche Motive hinter den Taten steckten, was aus einer verschwundenen Frau wurde und schlussendlich, wo der Täter abgeblieben ist. Zwar sind die sexuellen Beschreibungen nach wie vor präsent, jedoch lange nicht in dem Maße, wie wir dies aus anderen Werken des Autors kennen. Vorliegend packt den Leser eher die Aufklärung der Rätsel, als dass er sich in den Niederungen der Pornoindustrie suhlt.

Natürlich baut Lee auf die Faszination, die von den beschriebenen Perversitäten ausgeht, spielt geschickt und vordergründig mit verbotenen oder verpönten sexuellen Praktiken, um das Interesse seiner zumeist männlichen Fans und Leser wachzuhalten. Dennoch bietet der Roman darüberhinaus durchaus interessante Ansatzpunkte, Figuren und Ideen, die mich weit mehr interessiert haben, als der beschriebene Akt selbst. Die Auflösung der Rätsel, das Schicksal der Figuren, waren spannend und in sich nachvollziehbar aufgebaut, das Finale in sich logisch und überraschend. Wer sich an den deutlichen pornografischen Schilderungen nicht stört, der wird hier durchaus packend unterhalten.