Limit 2 (Comic)

Keiko Suenobu
Limit 2
Aus dem Japanischen von Claudia Peter
EMA, 2012, Taschenbuch, 170 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-3-7704-7874-3

Von Irene Salzmann

Fünf Schülerinnen einer Oberschule überleben auf der Reise ins Feriencamp ein tragisches Busunglück. Sie waren nie Freundinnen und müssen sich jetzt zusammenraufen, um in der Wildnis zu überleben, bis Suchtrupps sie finden. Wann das sein wird, ist ungewiss, denn die Mädchen ahnen nicht, dass man ihre Klasse noch nicht einmal vermisst. Aufgrund eines Fehlers glaubt man in der Schule, die Lehrerin habe das Eintreffen bestätigt, und das Busunternehmen sucht lediglich nach dem Fahrzeug, da man annimmt, der Fahrer habe sich wegen seiner gesundheitlichen Probleme abgesetzt.

Am dritten Tag nach dem Unglück schikaniert die Außenseiterin Morishige immer noch die anderen, da sie sich im Besitz einer Sichel befindet. Die verletzte Usui und die pragmatische Kamiya wollen nur am Leben bleiben und haben sich Morishige unterworfen. Zwischen Konno und Ichinose kommt es zu einem Kampf, den Morishige geschürt hat und der darüber entscheiden soll, welche der beiden den Status einer ‚Sklavin‘ und nichts zu essen erhält. Im letzten Moment geht Kamiya dazwischen und rettet Konno, die nicht hatte kämpfen wollen, aber an der Ichinose all ihre angestaute Wut auslässt, weil sie immer das Gefühl hatte, im Schatten der Mitschülerin zu stehen. Fast zu spät begreift sie, was sie beinahe getan hätte und kann nur hoffen, dass Konno ihr verzeiht.

Diese wiederum hatte immer nur mit dem Strom schwimmen und keinen Ärger haben wollen. Dass sie durch Egoismus, Achtlosigkeit und der Beteiligung am kollektiven Mobbing, das sich oft gegen Morishige richtete, andere unglücklich gemacht hat, bereut sie zutiefst. Obwohl sie ihr Bestes gibt, kann sie nicht verhindern, dass Usui, die Angst hat, man würde sie wegen ihrer Verletzung zurücklassen, mit der Sichel auf eigene Faust der Wildnis zu entkommen versucht.

Die Mädchen wissen nicht, dass anscheinend noch jemand den Unfall überlebt und ihr Lager gefunden hat. Wie wird sich das auf die fragile Gemeinschaft auswirken?

So dramatisch, wie der erste Band von „Limit“ zu Ende ging, setzt der zweite die Handlung fort. Der Leser weiß mehr als die Mädchen und muss miterleben, wie sie auf baldige Rettung hoffen – vergeblich, denn weder vermisst man sie, noch wird die Vermutung des Angestellten des Busunternehmens weitergeleitet, dass ein Unglück geschehen sein muss. Auch die Person, die Konno im Nebel zu sehen glaubte, ist niemand, der ihnen helfen kann. Wer sich unter der Kapuze verbirgt, wird allerdings nicht verraten. Diese Überraschung hebt sich Keiko Suenobu für den nächsten Band auf.

Realistisch und ungeschönt schildert sie den Überlebenskampf der Mädchen, der dadurch kompliziert wird, dass Egoismus und alte Feindschaften an erster Stelle stehen, für Missverständnisse und neuerliche Probleme sorgen: Zwar bemüht sich Kamiya, eine neutrale Position zu wahren, das Schlimmste zu verhindern und durch ihre Kenntnisse auch den anderen das Durchhalten zu ermöglichen, aber letztlich tut sie alles nur für sich selbst und ihre eigene Rückkehr. Das wird besonders deutlich, als sie sich weigert, Usui, die sich vor den anderen fürchtet, im Nebel nachzulaufen. Überraschenderweise kommt es zwischen Konno und Ichinose zu einer Annäherung, aber wird die neue Freundschaft Bestand haben? Morishige wiederum scheint weit weniger daran interessiert als die anderen, gefunden zu werden, da sie sich dank der Sichel an die Spitze der Hackordnung setzen und die Verhältnisse umkehren konnte. Nach dem Verlust des Geräts – der Waffe – mag sich das jedoch ändern. Für weitere Überraschungen dürfte zudem der oder die Unbekannte sorgen. Die Frage nach seiner beziehungsweise ihrer Identität und dem weiteren Schicksal von Usui, die allein durch den Wald hinkt, sind die kleinen Cliffhanger, die neugierig auf das dritte Tankobon machen.

Die Charakterbeschreibungen sind sehr differenziert und gelungen. Die Mangaka zeigt auf, wie ein Unglück Menschen verändert, welches Gesicht plötzlich hinter der Fassade hervor kommt – wie eine Krise in einigen die schlechten beziehungsweise in manchen die guten Eigenschaften an die Oberfläche holt. Glaubwürdig wird geschildert, wie Konno ihre Fehler einsieht und ihr Leben ändern möchte und wie Ichinose ihre Eifersucht überwindet. Morishige und Usui hingegen sind weiterhin Gefangene ihrer Ängste, und Kamiya verspielt Sympathiepunkte, weil sie trotz ihrer Bemühungen um alle jegliches Mitgefühl vermissen lässt, wenn dies für sie von Nachteil wäre.

Zeichnerisch wurde das Drama sehr ansprechend umgesetzt. Die Illustrationen sind realistisch, klar und hübsch.

Insgesamt ist „Limit“ eine sehr eindringliche Serie, die man nicht so schnell vergisst und die sich an eine reifere Leserschaft wendet, welche Titel wie „Judge“, „Holiday“ oder „Goth“ schätzt.