Großmeyer, Jürgen: Leon Traumgänger – erwachen (Buch)

Jürgen Großmeyer
Leon Traumgänger – erwachen
Titelbild unter Verwendung einer Illustration von Mark Freier
Droste, 2009, Paperback, 412 Seiten, 15,00 EUR, ISBN 978-3-7700-1320-3

Von Christel Scheja

Nach seiner Ausbildung zum Krankenpfleger studierte der 1971 geborene Jürgen Großmeyer Psychologie. Nebenher verfasste er viele fantastische Kurzgeschichten und Texte für Rollenspielsysteme. Nun ist sein erster Roman erschienen. »Leon Traumgänger – erwachen« scheint zudem der Auftakt einer Urban-Fantasy-Saga um einen paranormal begabten Jungen und unheimliche Vermächtnisse aus der Vergangenheit zu sein.

Leon lebt in einer betreuten Wohngruppe und war bisher recht unauffällig, da er schon immer wesentlich erwachsener und in sich gekehrter als die anderen wirkte. Aber nun beginnen sich die Leute, die die Gruppe betreuen, um ihn Sorgen zu machen, denn er hat der Psychologin gegenüber zugegeben, dass er jedes Jahr den gleichen düsteren Traum hat, bei dem er scheinbar in die Köpfe und Gedanken anderer Menschen hinein sehen kann und seit einiger Zeit das Gefühl nicht los wird, ständig von flüsternden und raunenden Schatten umgeben zu sein, besonders Nachts.
Erst Lucy, ein Neuzugang im Haus, die so lange bleiben wird, bis ihre Mutter wieder gesund ist, macht ihm klar, dass er über eine ganz besondere Gabe verfügt, für die er sich nicht schämen muss. Bevor sie ihn weiter in die Welt des Übersinnlichen einführen und ihm Mut machen kann, wird sie allerdings ermordet und stirbt in Leons Armen. Der Junge gilt zunächst als Hauptverdächtiger, kann aber bald entlastet werden.
Dennoch schwört er sich insgeheim, als der Schock abgeklungen ist und er die Untersuchungen und die Beerdigung hinter sich gebracht hat, den wahren Mörder zu finden und zu stellen. Denn etwas in ihm sagt deutlich, dass Lucy nicht einfach so umgekommen ist – jemand hat sie ganz eindeutig mit Mitteln ermordet, die jenseits des für die normalen Menschen Vorstellbaren liegen.
Lange bleibt er aber nicht allein, denn neben seinem Zimmergenossen Christian, mit dem er sich zuvor entfremdet hatte, taucht das geheimnisvolle Mädchen Eule in seinem Leben auf, das ihn auch mit dem schrulligen Stadtstreicher Clochard bekannt macht, der zwar sehr seltsam redet, aber nicht unbedingt nur sinnloses Zeug von sich gibt. Sie helfen ihm dabei, besser zu verstehen, was er selbst kann und welche Mächte hinter den Kulissen am Werk sind, damit er seine Kräfte Ziel gerichteter einsetzen kann.
Denn auch die dunklen Mächte werden auf Leon aufmerksam, und er weiß auch noch nicht so recht, was er von dem Polizeibeamten Jarne Kallert halten soll, der ganz eindeutig etwas vor Leon verbirgt, genau so wie der Leiter einer Privatklinik, den der Junge von einer früheren Begegnung her in sehr in schlechter Erinnerung hat.

Jürgen Großmeyers Roman ist sehr Personen zentriert. Er nimmt sich erst einmal Zeit, den jungen Helden und sein normales Umfeld einzuführen, auch den anderen Teenagern Stimme und Charakter zu geben. Nur langsam fließen die phantastischen Elemente ein – ähnlich wie Leon entdeckt auch der Leser, dass die Wahrnehmungen des Jungen nicht nur eingebildet sind, sondern durchaus einen realen Hintergrund haben.
Lucy dient als erstes Bindeglied zum Phantastischen, doch erst als ihr Tod zum Katalysator für Leons Aktivität wird – vorher hat er nur auf das, was andere mit ihm machten, reagiert –, betritt er die Welt des Surrealen. Eule und Clochard werden zu seinen Lehrmeistern und enthüllen ihm, was eigentlich hinter den Kulissen geschieht. Man erfährt die Hintergründe einiger Geschehnisse.
Der Autor verknüpft Mythisches geschickt mit historischen Persönlichkeiten und steigert die Spannung nach und nach, so dass man immer einen Grund hat, weiter zu lesen, auch wenn letztendlich nicht ganz so viel geschieht. Insgesamt gelingt es ihm auch ohne viel Action, Gewalt und aufgebauschter Mystery, eine dichte Atmosphäre zu weben und Leser aller Altersstufen in den Bann zu schlagen, selbst wenn man durchaus merkt, dass sein Hauptaugenmerk auf Jugendlichen liegt, die sich leicht in den Protagonisten wieder finden können.

»Leon Traumgänger – erwachen« ist durchaus mehr als einen Blick wert, da das Buch auch ohne vordergründige Action und aufgesetzter Mythologie oder sinnfreier Gewalt in den Bann schlagen und kurzweilig unterhalten kann.