Huston, Charlie: Das Clean Team (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 04. November 2009 00:00
Charlie Huston
Das Clean Team
(The Mystic Arts of Erasing all signs of Death)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Alexander Wagner
Titelillustration von Plainpicture
Heyne, 2009, Taschenbuch, 492 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-453-40730-5
Von Carsten Kuhr
Webster, genannt Web ist eine derer, die sich in unserer modernen Leistungsgesellschaft selbst an den Rand des sozialen Absturzes heranmanövriert haben. Als Sohn eines gefeierten Drehbuchschreibers und einer der freien Liebe und dem Cannabis zugetanen Spät68er standen ihm alle Türen offen. Den Lehrerjob aber hat er hingeschmissen, lebt seitdem auf Kosten seines Kumpels, eines Tattoo- und Piercingkünstlers, in den Tag hinein.
Irgendwann einmal aber hat auch dieser vom Schmarotzertum Webs genug, und zwingt unseren in Selbstmitleid zerfließenden Loser, sich einen Job zu suchen.
Was macht man, wenn man nichts kann? Entweder man bewirbt sich in der Gastronomie, oder man geht putzen.
Dem Clean-Team, dem sich Web anschließt, ist allerdings simple Staubwischerei, ja selbst das Reinigen der Toiletten zu banal. Sie haben sich auf einen Bereich spezialisiert, der gemeinhin zu heftigsten Würgereflexen und Ohnmachtsanfällen führt. Wenn sich ein Lebensmüder die Pistole in den Mund steckt und er sein Gehirn über das ganze Zimmer verteilt, oder ein Menschenscheuer seit Jahren seine Exkremente in seiner Wohnung sammelt bis das ganze Haus wie eine Kloake stinkt und selbst die Ratten und Kakerlaken voller Ekel das Weiten suchen, dann rückt das Clean Team an, um sauberzumachen. Dennoch Web seine neue Tätigkeit – umso mehr, als ihn seine neue Flamme anruft und bittet, ganz privat sich um einen Tatort zu kümmern. Noch weiß er nicht, in was für einen Schlamassel er sich damit begibt …
Charlie Huston ist einer der interessantesten zeitgenössischen Autoren Hollywoods. In einem ganz eigenen Stil, mit markanten Worten und einem Blick für Skurrilitäten, weiß er seine Leser an die Seiten zu bannen.Dies war bei seiner »Hank Thompson«-Trilogie so, und auch bei seiner fünfteiligen Vampirreihe um Joe Pitt ließ er seiner wortgewaltigen Phantasie freien Lauf.
Dieses Mal erwartet erneut die literarische Umsetzung eines urbanen Molochs den Leser. Das Gebotene ist rau, unappetitlich, brutal, vulgär, und rasant. Die Dialoge reihen ist in kurzen, prägnanten Sätzen stakkatoartig aneinander, sorgen durch die Gossensprache und die Prägnanz dafür, dass das Tempo unheimlich hoch ist. Immer wieder schockt uns der Autor blitzlichtartig mit Momentaufnahmen von Tatorten, wie man sie so direkt und brutal noch nicht gelesen hat. Die Körpersäfte, die ein Körper bei der Verwesung absondert, Gewebereste und organischer Abfall – das ist unappetitlich, widerlich – aber, zumindest so wie Huston es bringt auch interessant.
Ist es der Reiz des Verbotenen, des Perversen, das uns an die Seiten bannt? Das Spiel, sich im sicheren Sessel sitzend mit dem Widerlichen, dem Absonderlichen und Grässlichen auseinanderzusetzen, mit dem Tot zu kokettieren, der einen Reiz des Buches ausmacht? Oder doch eher die so unheimlich lebensecht beschriebenen Figuren, allesamt Unikate voller Ecken und Kanten, die einen förmlich zwingen, weiterzulesen?
Auf jeden Fall vermittelt einem der Text das erschreckend reale, abgedrehte, abartige Bild einer modernen Großstadt mit all ihren Psychosen, durchgeknallten Losern und karriere-, geld- oder sexgeilen Honoratioren, die allesamt ihre Leichen – gleich ob buchstäblich oder als Metapher – im Keller haben.
Kein Buch für jeden Geschmack, an der Grenze zum schlechten Geschmack wandelnd, ein Buch aber, das keinen Leser unberührt lassen wird.