Michael Böhnhardt: Das Luftschiff des Doctor Nikola (Buch)

Michael Böhnhardt
Das Luftschiff des Doctor Nikola
Doctor Nikola 5
Titelillustration von Ernst Wurdack
Wurdack, 2012, Paperback mit Klappenbroschur, 220 Seiten, 12,95 EUR, ISBN 978-3-938065-89-1

Von Carsten Kuhr

Während Lenin mit Hilfe seiner Truppen die westlichen Teile des ehemaligen Zarenreiches kontrolliert, liefern sich seine Rotarmisten in Sibirien und der angrenzenden Mongolei weiterhin blutige Gefechte mit den versprengten Abteilungen des Zaren. Auch wenn die königliche Familie gerüchteweise bereits ausradiert wurde, kämpfen die Männer verbissen gegen Lenins Einheiten.

Einer der flüchtigen Kämpfer, Baron Robert von Klingenberg, einst gefeierter Kavalleriegeneral, hat sich in die Mongolei abgesetzt. Hier trifft er auf einen englischen Lord, dessen Gattin und deren todkranke Tochter. Und er hört erneut von einem Mann, dem er bereits vor Jahren in der Steppe begegnet ist. Damals rettete Doctor Nikola einem Mongolen das Leben, nun ist er die letzte Hoffnung für den Herzog von Glenbarth und dessen Gattin. Dass diese den Reizen der Männer nicht abgeneigt ist, verstrickt den Flüchtigen fast ebenso sehr in die Suche nach Nikola, wie seine eigene Neugier.

An Bord eines Luftschiffes, das die Engländer dem Deutschen Reich nach dem Krieg als Reparationszahlung abgerungen haben, machen sie sich auf, Nikola zusammen mit Bogdo Khan, dem spirituellen Führer der Mongolen, zu befreien und um Hilfe für das Mädchen zu bitten. Sowohl die Befreiung als auch die Flucht gelingen, doch am Hof des wiedergeborenen Buddhas erweist sich Nikola einmal wieder als teuflischer Intrigant erster Güte…

Doctor Nikola ist zurück. Allerdings hat man nicht etwa ein verschollenes, unveröffentlichtes Manuskript aus der Feder Boothbys gefunden, sondern dessen deutscher „Entdecker“ und Übersetzer hat sich des Themas angenommen und eine Fortsetzung verfasst.

Auffällig dabei, dass Böhnhardt nicht akribisch an den Vorlagen klebt, dass er seinen Roman ganz anders strukturiert und aufzieht, als Boothby. Und das ist auch gut so. Geschickt mischt der Autor bekannte Gestalten aus der bisherigen Serie mit der faszinierenden Gestalt des Forschers ohne Gewissen und Eigenkreationen. Dabei lässt Böhnhardt viele Fakten aus der Zeit um 1920, um die Vorgänge in der von Chinesen besetzten Mongolei, in seine Handlung einfließen, und verwendet den später von den Nazis glorifizierten Freiherrn Roman Nikolai Maxmilian von Ungern-Sternberg als Vorlage für seinen Kosakengeneral von Klingenberg. Dabei richtet er nicht, überlässt das Urteil über die Verwerflichkeit der Handlungen ganz seinem Leser. Immer wieder deutet der Verfasser moralische Fragen an, ohne dass er diese letztlich beantwortet.

Die abwechslungsreiche, abenteuerliche Handlung bietet fast schon zu viele Ansätze und Ideen, wirkt beinahe ein wenig überfrachtet, so dass auch angesichts des geringen Umfangs viele interessante Ideen nicht wirklich ausreichend verfolgt werden konnten. Die Zeichnung Nikolas selbst ist ganz den Vorgaben verpflichtet überzeugend. Der nicht länger alternde Doktor bleibt auch nach der Erreichung seines Zieles faszinierend-geheimnisvoll, immer rastlos und ohne jegliche moralische Skrupel auf der Suche nach Erkenntnissen, dient so als Mahnmal vor der ungezügelten Forschungslust ohne ethischer Grundlage.

Insgesamt also eine gelungene, wenngleich ein wenig überfrachtete Fortsetzung, die das Interesse an einem der ersten Serienverbrecher der Literaturgeschichte wachhält und den Leser den in Vorbereitung befindlichen nächsten Band mit Ungeduld erwarten lässt.