Edward Lee: Bighead (Buch)

Edward Lee
Bighead
(The Bighead)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Manfred Sanders
Titelillustration von Danielle Tunstall
Festa, 2012, Taschenbuch, 352 Seiten, 13,95 EUR, ISBN 978-3-86552-161-3 (auch als eBook erhältlich)

Von Carsten Kuhr

Tief in den Wäldern von Luntsville, Virginia, lebt Bighead. In der kleinen Gemeinde am Ende der Welt, die seit Jahrzehnten mit einer Arbeitslosigkeit von über 50 Prozent zu kämpfen hat, ist Bighead ein Kinderschreck. „Wenn du nicht lieb bist, dann holt dich Bighead und frisst dich auf“, so die Sprüche besorgter Mütter. Dumm nur, dass sie die Wahrheit eher verniedlichen, denn vor dem Auffressen – insbesondere die Körperöffnungen betrachtet der riesenhafte Mann mit einem kahlen Kürbiskopf und ungleichen Augen als Delikatesse – bringt die Bestie in annähernd Menschengestalt noch seinen „Prügel“ zum Einsatz und fickt und spritzt was das unwillige Fleisch seiner Opfer herhält.

Als sein Grandpa stirbt macht er sich, nachdem er dessen frisches Gehirn gefressen hat, auf den Weg. Er will die Welt erkunden – eine Tragödie, selbst in einer Gegend, die vom Shine, dem illegal gebrannten Whiskey, und Trostlosigkeit geprägt ist. Dabei ist er mit seinen abnormen Gelüsten beileibe nicht allein auf der Flur. Zwei Moonshiner ermorden und vergewaltigen – ja, in dieser Reihenfolge – alles, was einen Schlitz hat. Alte Omas mit Gehhilfe und einen „Kackbeutel“ fallen ihnen ebenso zum Opfer wie Schwangere oder Huren.

In diese Gegend kommen zwei Frauen aus Washington DC und ein katholischer Priester. Die eine, eine Sex-besessene Reporterin, die andere eine Waise die die ersten Jahre ihres Lebens im Ort verbracht hat. Und sie bekommen in ihrer idyllischen Herberge Besuch, Besuch der besonders garstigen Art…

Der Verlag warnt auf dem Waschzettel ausdrücklich vor der Lektüre des Romans. Überzogene Darstellungen von sexueller Gewalt würden auf den Leser warten – und das ist beileibe kein leeres Versprechen! Selten, nein nie habe ich eine derartige Massierung von unappetitlichen Vergewaltigungen und Morden gelesen. Das ist grenzwertig, das ist brutal, aufrüttelnd und unappetitlich – aber eben auch originell und in gewisser Weise, ja, unterhaltsam. Die geschilderten Gewaltorgien stechen sicherlich heraus, doch Lee hat darum herum und dahinter noch eine Story eingebaut, die das Buch und die Lektüre erst interessant machen.

Geschickt zeichnet er ein stimmiges Bild einer abgelegenen, eigentlich malerischen Gegend die geprägt ist von Perspektivlosigkeit. In der mustergültigen Übersetzung von Manfred Sanders erwartet den Leser so nicht nur einige der perversesten Szenen die ich je in einem Horror-Roman gelesen habe, sondern gleichzeitig das fast pittoreske Bild einer intakten Natur mit Wiesen, Wäldern und ländlicher Idylle. Gerade aus diesem Widerspruch, hier die abnormalen Verbrechen, die abgedrehten Personen, und dort die scheinbare Ferienidylle in einer wunderbaren Umgebung, zieht der Roman viel Faszination. Das ist sicherlich harter, härtester Tobak, definitiv nichts für schwache Nerven oder Mägen, unappetitlich, pervers hart – wie der Verlag eben gewarnt hat.