Gini Koch: Alien Tango (Buch)

Gini Koch
Alien Tango
Aus dem Amerikanischen von Diana Bürgel
Piper, 2012, Taschenbuch, 512 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-492-26856-1 (auch als eBook erhältlich)

Von Thomas Harbach

„Alien Tango“ ist der zweite Band von Gini Kochs Serie um Aliens in Armani. Es ist nicht unbedingt notwendig, den ersten Band zu kennen, da die Erzählerin Katherine „Kitty“ Katt die Ereignisse aus „Touched by an Alien“ an mehr als einer Stelle effektiv, pointiert und humorvoll zusammenfasst.

Die Lektüre von Gini Kochs Debütarbeit ist allerdings empfehlenswert, da der Leser ein besseres Gefühl für die unbeschwerte Vorgehensweise; das Auf-den-Kopf-stellen des „Men in Black“-Klischees erhält und die Romanze zwischen Kitty und ihrem muskulösen Alien Jeff sich abseits von einigen eher konstruierten Wendungen sehr viel natürlicher entwickelt.

Obwohl die Fortsetzung „Alien Tango“ auch temporeich geschrieben worden ist, fehlt dem Band insbesondere auf den ersten knapp zweihundert Seite ein natürlicher Esprit; das Überraschungsmoment und vor allem eine Abwendung von den sich anfänglich nicht weiter entwickelnden Figuren zu einem konstruktiv geplanten Plot. Die Einleitung ist nicht schlecht geschrieben und zielt eindeutig auf ein weibliches, der Idealfigur des Mannes/Aliens harrendes Lesepublikum, aber der „dauerhafte“ körperlicher Einsatzes des Aliens fängt an zu nerven. Wenn Kitty eher aus der Luft heraus lamentiert, dass Kuscheln mit diesem Schrank eines Mannes nicht möglich ist und jede Berührung quasi in stundenlangen sexuellen Verrenkungen gipfelt, die körperlich nicht nur erfüllen, sondern erschöpfen, dann wird dieses Wunschdenken irgendwann schal und langweilig. Dass Kitty mit ihrer unorthodoxen Landung eines außerirdischen Fahrzeugs ihr über Video zugeschaltetes Alien-Publikum eher zu Schweißausbrüchen zwingt als letztendlich überzeugt, steht auf einem anderen Blatt. Plottechnisch hat sich Gini Koch zwei gerade zu klassisch klischeehafte Themenblöcke ausgesucht.

Zum einen kehren drei Astronauten aus dem All nicht ganz alleine zurück. Dass es Außerirdische in Hülle und Fülle gibt, hat der erste Band schon nachhaltig vor Augen geführt. Dass die unwissenden Menschen vor diesen Fremden geschützt werden müssen, steht auch dank Jeff und seiner Alien-Armani-Schutztruppe unumkehrbar fest. Da die meisten Regierungen von diesen Fremden unter der Erdbevölkerung nichts wissen, muss diese Bedrohung ernstgenommen werden. Spätestens wenn sich herausstellt, dass einer der Astronauten Kittys erster echter Freund ist. Der zweite Spannungsbogen ist noch offensichtlicher. Kitty wird zu einem Klassentreffen eingeladen, auf das sie gar keine Lust hat. Als sie sich schließlich durchringen kann, zusammen mit ihrem neuen Lebensabschnittbegleiter Jeff in ihrer nicht immer optimalen Vergangenheit im übertragenen Sinne herumzustochern, sind Katastrophen gerade zu vorprogrammiert.

Das erste Drittel des Buchs ist vielleicht der am meisten enttäuschende Teil. Zwar sind fünf Monate zwischen den Ereignissen von „Touched by an Alien“ und der Fortsetzung vergangen und Kitty konnte sich trotz zurückgegangener Aktivitäten an ihre neue Umgebung; an die Tatsache, dass es Aliens gibt auch an die neuen Aufgaben gewöhnen, aber im Vergleich zu ihren Reaktionen im ersten Buch wirkt sie zu dominant und insbesondere Jeff eher wie ein väterlich agierendes Abziehbild des ersten Bandes. Nach diesem ersten Extrapolationsdrittel nimmt die Handlung nicht nur wegen des bevorstehenden Klassentreffens Fahrt auf. In Bezug auf Jeff muss sich Kitty daran gewöhnen, dass er über eine Familie verfügt, welche die potentielle Schwiegertochter in Spe kennenlernen möchte. Während Jeffs Vater Alfred noch eine gewisse Toleranz gegenüber dem menschlichen Eindringling zeigt, erscheint Lucinda eher klischeehaft, hysterisch und überzeichnet. Es ist sicherlich eine nette Idee, Kitty mit Jeffs Eltern zu konfrontieren, aber irgendwo zwischen den Zeilen agieren sie zu menschlich, zu wenig fremd. Selbst die potentielle Dreiecksbeziehung zwischen Kitty, Jeff und dem sie immer noch beschützenden Christopher als stilles tiefes Wasser erinnert manchmal zu sehr an menschliche Konfliktsituationen.

Dagegen agiert Kittys Mutter erstaunlich bodenständig. Sie hat nichts gegen die Beziehung zu Jeff, Kitty soll sich nur alle Optionen offen halten und auf dem Klassentreffen nach Schwiegersohn-Material Ausschau halten. Sie ist in dem manchmal zu überdrehten Gefühlschaos ein erstaunlich normaler, von gewöhnlichen Muttersorgen geplagter Charakter geblieben. Leider ignoriert Gini Koch ein wenig die Kontinuität der Serie. Im ersten Roman möchte ihre Mutter Christopher lieber, während sie eindeutig im vorliegenden zweiten Band ohne nähere Begründungen Kitty animieren möchte, sich eher Chuckie zuzuwenden. Dem männlichen besten Freund, der wahrscheinlich mehr als freundschaftliche Gefühle für sie empfindet. Dem sie nichts von der Beziehung mit einem Außerirdischen Armanitypen sagen darf. Zusätzlich gibt es ja den schon angesprochenen Ex-Freund und jetzigen Astronauten Brian. Dass Gini Koch manche so typisch weibliche Handlungen mit Brillanz handeln kann, zeigt die erste Begegnung nach vielen Jahren zwischen Brian und Kitty. Während sich ihr platonischer Schatten Christopher aufgrund eines alten Fotos, das er bei Kitty gesehen hat, sofort an Brian erinnert, dauert es unendlich lange, bis sie sich an den Mann erinnert, an den sie ihre Jungfräulichkeit verloren hat. An mehr an einer Stelle der Fortsetzung wünscht man sich mehr von diesen interessanten, wirklich lustigen Szenen anstatt einer stark konstruierten Komödie der Irrungen und Wirrungen.

So sehr die Autorin auch immer wieder das Idealbild vom weiblichen attraktiven Kumpeltyp mit Jeans und Konzert-T-Shirts beschwört, so wenig passt diese Eifersuchtshandlungsebene in den vorliegenden Roman. Jeff agiert zu „menschlich“, während Kittys Figur zu ambivalent behandelt wird. Sie ist glücklich in festen Händen und schaut dauernd nach anderen Typen, während fast jeder Mann zumindest einen sexistischen Spruch auf den Lippen hat und sie erwartungsfroh anstarrt. Diese Vorgehensweise nutzt sich nicht nur schnell ab, die Autorin beginnt sich in diesem überdrehten Beziehungschaos zu verlieren und der Plot driftet auf das Niveau einer Soap Opera nach einem starken Zwischenspurt ab.

Als ausgleichendes Element dienen anscheinend das Klassentreffen und die Gefahren durch den „Menschen“ an sich. Kitty wird mit Menschen konfrontiert, welche die Fremden ablehnen. Im Grunde kein gänzlich neues Thema, seitdem Graham Baker beziehungsweise Kenneth Johnson mit „Alien Nation“ die entsprechende Büchse der Pandora geöffnet haben. Auch die vierte Staffel von „Enterprise“ hat sich mit der Terrororganisation „Terra Prime“ dieser Idee angenommen. Daher ist es schwer, neue Akzente zu setzen und Gigi Kochs Fluch in Übertreibungen hilft dem ganzen Roman an vielen Stellen nicht weiter. Wirkten schon die Außerirdischen des ersten Buches nicht furchterregend genug, erscheinen auch die Antiestablishmentkräfte eher eindimensional gezeichnet und stellenweise bis zur Karikatur verzerrt. Natürlich sind die Actionszenen ausgesprochen rasant geschrieben und Gini Koch versucht sich an „James Bond“-artigem Humor. Egal wie überdreht oder bedrohlich das Ausgangsszenario auch sein mag; egal wie unwahrscheinlich eine Rettung in letzter Sekunde erscheint oder Kittys Wissen/Erfahrung im Grunde nicht ausreichen kann, um die Situation zu bereinigen, die Autorin verfügt nicht nur über einen ausreichenden Köcher an Lösungen, sondern weitergehend über die entsprechenden Nebenfiguren, um Heilung zu versprechen. Die Anzahl der auftretenden Menschen/Aliens wirkt fast inflationär.

Gini Koch macht nicht den Fehler, das Tempo kontinuierlich zu steigern. Im letzten, eher ruhigeren aber nicht phlegmatischen Drittel, arbeitet sie, soweit es das Konzept erlaubt, die offenen Fäden souverän und deutlich überzeugender als im ersten Buch ab. Durch diese systematische Vorgehensweise überzeugt „Alien Tango“ strukturell mehr als der überdrehte, überambitioniert von der romantisch emotionalen Idee des idealen Liebhabers getriebene erste Roman. Zusammengefasst fehlt „Alien Tango“ die anarchistische Spontanität des Auftaktbandes. Die Figuren sind gesetzter, abgerundeter und vertrauter. Allerdings vermisst der Leser aufgrund der Prämissen eine stringentere Weiterentwicklung der Figuren und eine Verdichtung der Konfliktsituationen. Stattdessen erweitert die Autorin manchmal pointiert, manchmal launisch ihr Männer orientiertes Universum, während sie ihre Stärken – solide Actionszenen mit weiblich warmherzigem Humor geschrieben – zugunsten irgendwann nerviger perfekter PGSexszenen vernachlässigt.

„Alien Tango“ reicht nicht an den Auftaktband heran, wird aber Gini Kochs wachsende – in erster Linie weibliche – Fangemeinde zufriedenstellend, während männliche Leser zwischendurch von derartig vieler Perfektionismus auf Jeffs Seite eher abgestoßen sein werden, zumal das alles Kitty anscheinend in einem dunklen Winkel ihres Gewissens nicht einmal genügt.