Klassen, Lena: Magyria – Das Herz des Schattens (Buch)

Lena Klassen
Magyria – Das Herz des Schattens
Titelgestaltung von HildenDesign, München, Artwork von Isabelle Hirtz unter Verwendung von Motiven von fmbackx/iStockphoto (Frau) und sunnysanny/iStockphoto (Brücke)
Penhaligon, 2009, Hardcover, 560 Seiten, 18,95 EUR, ISBN 978-3-7645-3044-0

Von Irene Salzmann

Nach dem Abitur entscheidet sich die Deutsche Hanna dagegen, wie ihr Freund ein Studium zu beginnen. Stattdessen möchte sie eine Weile als Au-pair-Mädchen in Ungarn leben, die Sprache, die Menschen und ihre Kultur kennenlernen. Die Familie Szighety – Eltern und zwei Kinder – scheinen auch ganz nett zu sein. Doch schon bald erkennt Hanna, dass die nur wenig jüngere Réka ein dunkles Geheimnis hütet, das mit daran schuld ist, dass das frühere Kindermädchen Mária aufgehört hat.

Réka trifft sich regelmäßig mit dem attraktiven Kunun, kann sich aber anschließend nicht mehr daran erinnern, was während dieser Begegnungen vorgefallen ist. Mária behauptet, dass Kunun ein Vampir sei, und Hanna findet Beweise, die diesen Verdacht untermauern. Allerdings ist es ein anderer Vampir, Mattim, der sie in den Bann zieht – und dem sie helfen möchte, die Macht Kununs zu brechen.
Dadurch gerät sie ebenso in tödliche Gefahr wie Réka, denn Kunun will sich beider Mädchen bedienen, um das Königreich Magyria, das parallel zu diesem Ungarn existiert, zu unterwerfen und zu einem Land der Schatten und Wölfe zu machen. Hanna liebt Mattim, aber reicht diese Liebe, um dem Prinzen des Lichts, der ein doppeltes Spiel treibt, bedingungslos zu vertrauen?

»Magyria« folgt ganz der Tradition der populären Tetralogie »Bella & Edward«: Mattim, der letzte Prinz des Lichts, lässt sich freiwillig in einen Schatten verwandeln, um herauszufinden, was sein Bruder Kunun und dessen Gefolgsleute, die die Stadt Akink immer wieder angreifen, planen und über welche Mittel sie verfügen. Seine Eltern und auch die Kameraden verstoßen Mattim, so dass schließlich Kununs Heim in Budapest Mattims einzige Zuflucht ist. Zufällig lernt er Hanna, die ihren Schützling Réka aus Kununs Gewalt zu befreien versucht, kennen und lieben. Eigentlich hat diese Romanze keine Zukunft, denn die jungen Menschen stammen aus verschiedenen Welten und haben Prioritäten, die für den anderen schwer verständlich oder sogar gefährlich sind, aber ihre Liebe hilft ihnen aus so mancher Krise.
Das ist im Prinzip schon die ganze Handlung, die weniger Dramatik bietet, als erhofft. Mattim hat einen Plan, den er entgegen aller Widerstände ausführt, oft mit mehr Glück als Verstand, und auch Hanna folgt ihrem Gewissen, um die Geheimnisse von Kunun, Mattim und Réka aufzulösen, die bald auch sie selber betreffen. Regelmäßig gibt es Gezicke und Missverständnisse zwischen den Teenagern, was für unerwartete Wendungen und Probleme sorgt. Die mögliche Rivalität zwischen Hanna und Mirita, einem Mädchen aus Magyria, erspart die Autorin den Lesern glücklicherweise, denn der zusätzliche Konflikt hätte die Handlung nicht interessanter gestalten können.
Im Vordergrund stehen die Beziehungen von Hanna und Réka beziehungsweise Mattim. Durch Réka wird Hanna in die Angelegenheit hineingezogen, und wegen Mattim kann sie sich nicht mehr befreien. Zusammen mit dem jungen Vampir findet sie heraus, was Kunun vorhat, und jede Information müssen sie teuer bezahlen. Bis alles offensichtlich ist, sind sie so tief in alles verstrickt, dass es kaum noch ein Entkommen oder gar eine Rettung zu geben scheint. Entscheidungen sind zu fällen, die Leben retten, aber das (vermeintliche) Glück zerstören könnten.

Lena Klassen baut ihre Geschichte auf zwei Handlungsebenen auf, die schon bald zusammengeführt werden. Während die eine in einem Urlaubsland und in der Gegenwart verhaftet ist, entführt die andere in ein Fantasy-Reich, das bedroht ist und zugleich auch eine Gefahr für die bekannte Welt darstellt. Zugrunde liegt wieder einmal der ewige Konflikt von Gut und Böse, der erst klar, dann weniger eng umrissen und schließlich wieder eindeutig definiert ist.
Vor diesem Hintergrund treffen sich Protagonisten aus zwei verschiedenen Welten, die nicht alle dieselben Motive haben. Es gibt Liebe und Egoismus, Aufopferung und Gewalt, die Einfluss nehmen auf das Handeln der Charaktere und die Story in die gewünschte Richtung lenken. Die ›Guten‹ sind naiv, dabei mal wieder mindestens einen Schritt hinter ihren Gegenspielern zurück und riskieren viel. Die ›Bösen‹ sind gerissener, skrupellos und schwer durchschaubar. Ihre Machtspiele sind nicht immer ganz nachvollziehbar und wirken manchmal wie Füllsel, die vergeblich versuchen, Spannung in die Geschichte zu transportieren.
Vor allem Leserinnen ab 14 Jahren sollen sich mit Hanna identifizieren, wenngleich ihnen die aufmüpfige Réka den Spiegel vor die Nase hält. Der geheimnisvolle Kunun ist zu schön, um wahr zu sein, so dass ihm mit dem freundlichen, aber kindlichen-eifrigem Mattim ein etwas bodenständigerer Rivale um die Sympathien des Publikums gegenüber gestellt wurde. Alle anderen Figuren sind selten mehr als Statisten, die Impulse geben dürfen.

Lena Klassen spult ihr Garn konsequent ab, doch gerade der Beginn liest sich sehr zäh, und manche Details, die für die Handlung gar nicht relevant sind (wie Hannas Problem im Aufzug), werden viel zu ausführlich geschildert. In Folge will der Funke nicht recht überspringen, und als das Finale naht, ahnt man, worauf es hinauslaufen wird.
Von daher eignet sich der Titel für sehr junge »Bella & Edward«-Fans, die nicht viel Lese-Erfahrung haben und phantastische Romanzen mögen – aber nicht unbedingt für ein reiferes Publikum, dass schon einige Paranormal Romances gelesen hat und das Muster kennt, und erst recht nicht für die Freunde des subtilen Grauens, die einen unheimlichen Roman lesen wollen und keine Liebesgeschichte mit etwas Phantastik.