Julia Karr: The Sign – Nur zu deiner Sicherheit 1 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 29. März 2012 18:13
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Julia Karr
The Sign
Nur zu deiner Sicherheit 1
(XVI, 2011)
Aus dem Amerikanischen von Bettina Spangler
Titelbildmotiv: Victoria Sims Photography
cbt, 2012, Taschenbuch, 478 Seiten, 8,99 EUR, ISBN 978-3-570-30772-4 (auch als eBook erhältlich)
Von Petra Weddehage
Nina findet nichts an ihrem Leben so beängstigend wie ihren bevorstehenden sechzehnten Geburtstag. An diesem Tag wird ihr ein Tattoo eingebrannt, das sie als Sex-Teen kennzeichnet. Soll heißen, sie darf sich mit Jungs einlassen. Ihre beste Freundin Sandy sieht das total anders und freut sich umso mehr auf ihren großen Tag.
Plötzlich passieren schreckliche Dinge in Ninas Leben. Ihre Mutter wird tödlich verletzt, und Nina und ihre kleine Halbschwester ziehen zu den Großeltern. Bevor die Mutter im Krankenhaus stirbt, schärft sie Nina ein, Ginnie niemals mit deren Vater Ed alleine zu lassen. Dieser ist ein Sadist, der Ninas Mutter nicht nur einmal krankenhausreif geschlagen hat.
Als Nina Sal kennenlernt, erfährt sie, dass ihre Mutter Mitglied einer geheimen Untergrundorganisation war. Zufällig haben diese Leute herausgefunden, was es in Wahrheit mit der Organisation Wels auf sich hat. Die Regierung wirbt dafür, dass Jungfrauen eine sehr gute Ausbildung bekommen, mit deren Hilfe die Mädchen in eine höhere gesellschaftliche Gruppe aufsteigen können. Was dahintersteckt, ist jedoch viel schlimmer, als Sal und Nina es sich träumen lassen. Sandy will unbedingt dort mitmachen, und die Warnungen ihrer Freunde überhört sie geflissentlich.
Unverhofft gibt es einen Lichtblick in Ninas Leben: Sie erfährt, dass ihr Vater noch lebt. Gemeinsam mit Sal beginnt Nina zu recherchieren und erfährt mehr, als ihr lieb ist.
Die Zukunft in die Julia Karr ihre Leserinnen trägt, ist düster und nicht gerade vielversprechend. Sie lässt ihre Protagonisten in ihren jeweiligen Rollen gekonnt agieren und erweckt die Akteure und ihre Welt zum Leben. Die Menschen werden von der Regierung bis in die kleinsten Details ausspioniert. „Big Brother is watching you“ ist hier keine Utopie sondern grausamer Alltag. Die Sex-Teens, zu denen die Unterschichtenmädchen degradiert werden, haben nicht viele Möglichkeiten, um im Leben weiterzukommen. Ihnen bleibt nur, sich einen reichen Schnösel zu suchen, der sie hofiert und vielleicht sogar heiratet. Dieser gesellschaftliche Aufstieg ist jedoch sehr ungewiss. Sexuelle Übergriffe sind an der Tagesordnung, weil von einem Sex-Teen, sobald sie ihr Tattoo bekommen hat, erwartet wird, sexuell aktiv zu werden. Allerdings gibt es eine große Ausnahme. Mädchen, die sich für das Wels-Programm der Regierung entscheiden, müssen noch Jungfrau sein. Ihnen wird in den schillerndsten Farben vorgelogen, wie sie dank dieser Organisation in der Hierarchie aufsteigen können. Ninas Mutter und ihr tot geglaubter Vater spionieren jedoch mit Hilfe im Untergrund agierender Leute die wahre Absicht des Regierungsprogramms aus. Dies kostet Ninas Mutter das Leben.
Der zwielichtige Ed, Vater von Ninas Halbschwester Ginnie, macht nach dem Tod der Mutter keinen Hehl daraus, dass er das Mädchen lieber heute als morgen zu sich nehmen möchte. Nina unterstellt ihm dabei perverse Neigungen. Eds Gebaren lässt darauf schließen, dass die Mutter Nina nicht grundlos vor diesem Mann gewarnt hat. Sandy, Ninas naiv-aufgeschlossene Freundin, kann es ihm Gegensatz zu ihr kaum noch erwarten, ihr „Sign“ zu bekommen. Allerdings ist sie entschlossen, sich dem Wels-Programm anzuschließen. Also flirtet sie auf Teufel komm raus. Da sie ihr Tattoo noch nicht hat, kann ihr ja gar nichts passieren – denkt sie. Die Autorin lässt Nina noch weitere Menschen näher kenne lernen, die ihr helfen, die Wahrheit herauszufinden. Sal, ein reicher, aber verwaister junger Mann, ist derjenige, der ihr Herz höherschlagen lässt. So kommt zu all den düsteren Zukunftsaussichten doch eine kleine, sehr einfühlsam erzählte Romanze.
Mit ihrer phantasievollen und sehr gut nachvollziehbaren Geschichte dürfte die Autorin nicht nur junge Menschen ab 12 Jahre in ihren Bann ziehen. Julia Karr trifft mit ihrer Geschichte den Nerv der Zeit. Immer wieder raten kluge Köpfe, dem Staat Einhalt zu gebieten, wenn es um Dinge geht, die den privaten Bereich der Personen beschneiden. Dazu gehört der ‚Große Lauschangriff‘ ebenso wie das Ausspionieren sensibler Daten. Der ‚gläserne Mensch‘ ist schon lange keine Zukunftsvision mehr. Wenn die Bevölkerung nicht ganz schnell aufwacht, werden Zukunftsromane wie die von Julia Karr schneller Realität, als jedem lieb sein dürfte.