100% DC 22: Supergirl 6 – Vertrauensbruch (Comic)
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- Veröffentlicht: Dienstag, 08. Dezember 2009 00:00
Kelley Puckett, Will Pfeifer, James Peaty, Sterling Gates
100% DC 22
Supergirl 6 – Vertrauensbruch
(Supergirl 28–34, 2008)
Aus dem Amerikanischen von Steve Kups
Titelillustration von Drew Johnson & Ray Snyder
Zeichnungen von Drew Johnson, Ron Randall, Brad Walker, Jamal Igle u. a.
Panini, 2009, Paperback mit Klappenbroschur, 164 Seiten, 16,95 EUR
Von Irene Salzmann
Supergirl, Supermans Cousine, weilt erst seit kurzem auf der Erde. Im Gegensatz zu ihm, der als kleines Kind von den Kents aufgenommen und gro gezogen wurde – für den die Erde zur Heimat wurde –, muss sie schnell lernen, wie die Menschen leben und denken. Das ist nicht immer einfach für den Teenager, den hohe Ideale und großer Zorn aufwühlen. Zwar bemühen sich Supergirls neue Freunde, Verständnis aufzubringen, wenn sie über das Ziel hinausschießt, aber den normalen Bürgern, die sie immer wieder aus großer Gefahr rettet, kann sie nichts recht machen – und sie ist auch nicht der berühmte und beliebte Superman. Unter dem ständigen Vergleich und der hohen Messlatte leidet sie sehr.
Hinzu kommt, dass Supergirl einem an Krebs erkrankten Jungen versprach, ihn nicht sterben zu lassen und sich dadurch selber unter Druck setzt. Sie bietet all ihre gewaltigen Kräfte auf, zieht jede Person, die helfen könnte, hinzu und lässt sich auch nicht von den Stimmen der Vernunft beirren, die ihr klar zu machen versuchen, dass sie keine Macht über Leben und Tod hat. Als das Unglaubliche zum Greifen nahe ist, besteht die Tragödie schlicht darin, dass Supergirl zu spät kommt. Dennoch will sie nicht aufgeben und selbst die Zeit bezwingen. Am Ende aller Bemühungen stehen eine bittere Erkenntnis, aber auch ein Neuanfang …
Auch Kara Zor-El/Supergirl, geschaffen 1959, gehört zu den Charakteren, die schon eine Menge mitgemacht haben, da ihre Geschichte mehrmals umgeschrieben wurde, wann immer DC sein Superhelden-Universum novellierte. Mit der aktuellen Version hat man sich wieder dem ursprünglichen Bild von Supergirl angenähert, die Jahre nach Superman als Teenager auf die Erde gelangte, die sich wie er eine Geheimidentität zulegte und als Heldin in seine Fußstapfen trat.
Neu ist, dass sie keineswegs mit offenen Armen empfangen wurde, sondern erst ihren Platz in dieser Welt finden und sich den anderen Superhelden beweisen muss. Dabei begeht sie so manchen Fehler, da sie sich selber und die Menschen falsch einschätzt. Auch steht sie ständig in Supermans Schatten und wird selten als eigenständige Person akzeptiert. Das gipfelt schließlich darin, dass die Geretteten enttäuscht sind, dass ›nur‹ Supergirl die Gefahr bannte beziehungsweise verärgert reagieren, weil ihre Aktion ein Baseball-Spiel unterbrochen hat. Damit wird zugleich verdeutlicht, wie ignorant und undankbar viele Kleingeister sind. Und es geht noch weiter, denn eine Klatschreporterin nimmt Supergirl ins Visier.
Unterstützung bekommt das Mädchen schließlich von unerwarteter Seite – denn es gibt durchaus Menschen, die Ähnliches durchgemacht haben und wissen, wie es ist, ausgenutzt, manipuliert, betrogen und beschimpft zu werden. Damit wird ein neuer Abschnitt im Leben Supergirls eingeleitet, der ihr auch helfen soll, die Erde, seine Bewohner und sich selber besser zu verstehen. Sie findet manche, wenn auch nicht alle Antworten und entwickelt sich weiter vom sturen, zornigen Teenie zu einer jungen Frau, die einige schmerzliche Wahrheiten gelernt hat.
Innerhalb dieses einfühlsam und glaubhaft geschilderten Entwicklungsprozesses beweist Supergirl, dass sie trotz allem sehr menschlich denkt und fühlt und auch, wenn das Ziel nahe ist, Skrupel besitzt und eine bestimmte Grenze nicht überschreiten kann. Dadurch begreift sie letztlich, dass sie keine Versprechen geben darf, die sich unmöglich einhalten lassen, weil sie nicht jeden retten kann.
Supergirl ist wie die meisten zeitgenössischen Helden ein realistischer Charakter mit Stärken und Schwächen – anders als die früheren, unfehlbaren Versionen. Sie gibt sich auch als Teenager, der noch viele Erfahrungen sammeln muss, zu erkennen und verkörpert nicht die allwissende und allmächtige Heldin, die trotz ihrer Jugend jedem anderen überlegen ist und Probleme mit Links löst. Tatsächlich hat sie die gleichen Schwierigkeiten und Wünsche wie jedes Mädchen in ihrem Alter und dazu noch die ganzen Konflikte, die ihr das Superheldendasein beschert.
Ihre Geschichte wird in ansprechenden, wenn auch nicht in überwältigenden Bildern erzählt. Mehrere Zeichner waren hier am Werk, und obgleich sie sich stilistisch nicht allzu sehr unterscheiden, merkt man die Wechsel – und ein Jim Lee ist nicht darunter.
Trotzdem darf man mit der Lektüre sehr zufrieden sein, denn das Paperback bietet ein relativ in sich abgeschlossenes Abenteuer, in das man auch ohne große Vorkenntnisse eintauchen kann und das neben der überzeugend dargestellten Krise, die die Titelheldin bewältigen muss, auch ein gewisses Maß an Action offeriert, so dass man einen Mix aus spannenden Szenen und tiefergehenden Momenten erhält. Die Story toppt qualitativ die Illustrationen und darf nicht nur Sammlern empfohlen werden sondern auch Gelegenheitslesern, die eine wirklich gute Geschichte wünschen.