Edmond Hamilton: Die Rückkehr von Captain Future (Buch)

Edmond Hamilton
Die Rückkehr von Captain Future
Übersetzung: Frauke Lengermann
Titelbild: Glenn Clovis
Golkonda, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 168 Seiten, 14,90 EUR, ISBN 978-3-942396-04-2

Von Thomas Harbach

Fast zwei Generationen nach der letzten US-Veröffentlichung erlebt Edmond Hamiltons Captain Future eine zweite kleine Wiederauferstehung nach der populären japanischen Zeichentrickserie. Über Jahrzehnte sind Hamiltons Abenteuer in unterschiedlichen Heft- und Taschenbuch-Inkarnationen zum Teil unter dem sperrig wirkenden Titel „Captain Zukunft“ in Deutschland erschienen. Höhepunkt sicherlich in den 80er Jahren die heute extrem gesuchte eigene Taschenbuchserie bei Bastei Lübbe.

In den USA veröffentlichte der Kleinverlag Haffner Press nach seiner Jack-Williamson-Edition mit der Edmond-Hamilton-Sammelreihe bislang drei wunderschön gestalteten „Captain Future“-Bände, ein Kleinod. Golkonda präsentiert mit den beiden Paperback-Bänden „Die Rückkehr von Captain Future“ und „Der Tod von Captain Future“, die in den 50er Jahren in den USA erschienenen und bislang nicht übersetzten letzten Geschichten um Edmond Hamiltons ohne Frage populärste Figur. Die Ausgabe ist mit einem ausführlichen Nachwort Hardy Kettlitz’, der im Rahmen seiner „SF Personality“-Reihe sich ausführlich mit Hamiltons Werk auseinandergesetzt hat, einem extra für diese Ausgabe gezeichneten Portrait des Autors auf der Klappenumschlaginnenseite aus der Feder molosovskys und schließlich der Wiedergabe der „Starling Stories“-Titelbilder, in denen die vier hier versammelten Kurzgeschichten ursprünglich erschienen sind, ausgestattet.

Die Titelgeschichte der Sammlung „Die Rückkehr von Captain Future“ erschien als erste von insgesamt sieben Geschichten nach einer mehrjährigen Pause wie alle anderen Texte dieser Sammlung in „Starling Stories“. Auch handlungstechnisch ergibt sich ein Bruch von insgesamt drei Jahren, seitdem Captain Future mit seinen Futuremen in die Tiefen des Alls aufgebrochen ist, um die Wurzeln der Menschheit zu finden. Sie gelten inzwischen offiziell als verschollen. Joan und Eszar Gurney machen sich auf den Weg, um die Geheimnisse von Futures Mondbasis vor den gierigen irdischen Mächten zu retten. Sie werden von Curt Newton – wie der Charakter von Edmond Hamilton durchgängig bezeichnet wird – und seinen Getreuen überrascht. Future ist schon vor einiger Zeit aus den Tiefen des Alls zurückgekehrt. Er hat sich aber nicht zurückgemeldet, da er einen gefährlichen, in einem Stasisfeld eingeschlossenen „Gefangenen“ mitgebracht hat. Er versucht einen der Liniden, einen Herre der Galaxis, aufzuwecken, die vor unzähligen Jahren gegen die erste Menschheit gekämpft und verloren haben.

„Die Rückkehr von Captain Future“ ist eine eindrucksvolle Kurzgeschichte, in welcher Edmond Hamilton eher auf ein Äonen umspannendes Hintergrundkonzept wert legt. Reste dieser ehemals fast übermächtigen Kulturen haben Future und seine Mannen schon mehrmals in den bislang veröffentlichten Kurzgeschichten und Romanen gefunden, hier geht es um die Frage, woher die Menschen kommen. Anscheinend haben die sogenannten „Erstgeborenen“ den Menschen nicht als ihr eigenes Abbild erschaffen, sondern als eine Rasse, die genetisch neugierig, immer vorwärtsstrebend ist. Mit dem Risiko, immer wieder durch die eigene Aggression auf das Niveau eines Affen zurückzufallen. Captain Future erhält zwar stellvertretend für den Leser eine Reihe von Antworten, die aber wie in der „Perry Rhodan“-Serie mit den Kosmokraten und dem Zwiebelschalenmodell im Kleinformat eher weitere Fragen aufwerfen. Während die erste Hälfte in einem melancholischen Grundton geschrieben sich um existentielle Fragen dreht, konzentriert sich Edmond Hamilton in der zweiten Hälfte auf eine etwas an Action orientierte Handlung, die im Gegensatz zu seinem Ruf als Weltenzerstörer erstaunlich friedlich unter der für die ganze Serie markanten „Opferbereitschaft“ Futures aufgelöst wird. In vielerlei Hinsicht eine der späten Schlüsselfolgen dieser Serie, die ausgesprochen viel forschungstechnisches Potential bietet, das Edmond Hamilton nicht mehr zufriedenstellend heben konnte.

Dagegen ist „Kinder der Sonne“ eine fast klassisch zu nennende Mischung aus untergegangener Zivilisation, deren Erbe die Menschen erkunden dürfen, fremden Wesen und schließlich einem für Future so typischen wie aufopferungsvollen Freundschaftsdienst. Der aus anderen Kurzgeschichten bekannte Wissenschaftler Carlin ist auf dem kleinen in unmittelbarerer Sonnennähe umherstreifenden Asteroiden Vulkan verschollen. Future folgt dessen Spuren. Die Ureinwohner verwehren Future erst den Zutritt zu ihrem Heiligtum, das Carlin anscheinend geschändet hat. Grags Roboterhaut kann die Angriffe abwehren, während Future in einer verschütteten Höhle nicht nur Carlins Aufzeichnungen, sondern eine geheimnisvolle Maschine findet, die der Schlüssel zu den „Kindern der Sonne“ ist. Strahlend hellen Lichtern, die insbesondere immer wieder über dem Vulkan gesichtet worden sind und die anscheinend intelligent sind.

Während die Exposition phantastisch ist, folgt die Handlung ein wenig zu stark den für Hamiltons schwächere Arbeiten stereotypen Handlungsmustern mit einem sich selbst opfernden Future. Im Gegensatz allerdings zu den in erster Linie im „Captain Future“-Magazin veröffentlichten Kurzgeschichten gewinnt und verliert sein charismatischer Held zugleich. Die intime Begegnung mit den Kindern der Sonne beflügelt und beschneidet ihn zugleich. Stimmungstechnisch verdichtet der Autor nach einem ein wenig zu stereotypen Beginn die Atmosphäre ausgesprochen geschickt und überrascht mit auf der einen Seite fremdartigen, dann aber nicht zuletzt aufgrund ihrer Herkunft auch vertrauten Figuren. Zusammenfassend stellt „Kinder der Sonne“ unter Beweis, dass Hamilton zusammen mit seinem Freund Jack Williamson insbesondere im Vergleich zu dem immer wieder als sein Vorbild genannten E .E. Smith der ideentechnisch stärkere Autor gewesen ist, dessen außerirdische Zivilisationen im Gegensatz zu seinen Beschreibungen untergegangener Kulturen ein wenig zu menschlich, zu vertraut erscheinen.

Bei den letzten beiden Texten der Sammlung, „Die Harfner des Titan“ und „Nerven aus Stahl“, steht Curt Newton nicht im Mittelpunkt der Handlung. Die Besatzung der „Comet“ wird auf einen der Titan-Monde gerufen, wo eigentlich in einem abgeschiedenen Tal Ureinwohner und Menschen seit vielen Jahren friedlich nebeneinander wohnen. Anscheinend will eine Gruppe von Fanatikern die Menschen vertreiben. Als einer der gemäßigten Stammessprecher in Futures Beisein getötet wird, müssen Captain Future und insbesondere Simon zu ungewöhnlichen Mitteln greifen.

Der eigentliche Plot ist erstaunlich stringent und wird von Edmond Hamilton eher bieder erzählt. Dem Text fehlt insbesondere gegen Ende die notwendige emotionale Wucht, um die tragischen Ereignisse richtig zu umkleiden. Auf der anderen Seite hat die Geschichte in einer Hinsicht auch starke Ähnlichkeiten zu „Kinder der Sonne“. Während in „Kinder der Sonne“ Future vor eine schwere Wahl gestellt wird, geht es in „Die Harfner des Titan“ um Simon, das fliegende wie sprechende Gehirn. Es ist erstaunlich, dass Edmond Hamilton die Möglichkeiten, die der Plot bietet, viel zu wenig nutzt. Curt Newtons Ziehvater wird weiterhin sehr emotionslos, ausgesprochen logisch denkend beschrieben. Das er nicht in Versuchung gerät, erscheint unglaubwürdig. Hinzu kommt, dass Hamilton wie in vielen seiner späteren Arbeiten die entsprechenden Techniken eher aus dem Schriftstellerhut zaubert als sie überzeugender, aber auch umständlicher zu extrapolieren. Mit den Harfen des Titan hat der Autor dagegen eine exotische wie gefährliche Waffe erschaffen, die Hamiltons Erfindungsreichtum unterstreicht. Das ausgerechnet Future als Nebenfigur dieser Geschichte gleich die entsprechende „Gegenwaffe“ Simon mit auf den Weg gibt, wirkt rückblickend konstruiert und soll den Text möglichst glatt, aber wenig überzeugend abschließen.

In vielerlei Hinsicht ist „Nerven aus Stahl“ eine der ungewöhnlichsten „Captain Future“-Geschichten. Das liegt nicht nur an der ungewohnten Ich-Erzählerperspektive, sondern auch an der Tatsache, das der Roboter Grag seine persönlichen Erlebnisse als eine Art Bericht niederschreiben soll und damit sich der Leser noch weiter von der bizarren Handlung entfernt. Bei einem Abstecher auf die Erde sucht Grag einen Psychiater auf, der dessen Minderwertigkeitskomplex behandelt. Um sich endgültig zu kurieren, soll Grag die wichtige Rohstoffe fördernden Roboter auf einem Planetoiden des Sonnensystems aufsuchen. Dort haben die Maschinen gerade gegen ihre Versklavung revoltiert, nachdem der sogenannte Befreier sie „intelligent“ gemacht hat.

Ob Edmond Hamilton den Plot in dieser Form ernstgemeint hat, wird sich nicht mehr ermitteln lassen. Während Grag die Ereignisse auf dem kleinen Himmelskörper als Ausgeburt seines Nervenzusammenbruchs ansieht, fehlt der ganzen Geschichte eine weitergehende Logik, da die Maschinen sich ja nicht nur von ihren stupiden Aufgaben befreit haben, sondern plötzlich auch miteinander sprechen können. Wie der Kybernetiker, der für das Chaos verantwortlich ist, ihnen die entsprechenden Gerätschaften eingebaut hat, ist eine der zahlreichen ungeklärten Fragen. Das Ende wirkt wie eine Parodie auf die zahlreichen Fantasy- und vor allem Western-Geschichten, in denen die Zufälle Tür und Tor geöffnet haben. Im Vergleich insbesondere zu den ersten beiden deutlich dunkler gehaltenen Texte sehr viel leichter mit erstaunlich pointierten Dialogen und einem gestressten, aber sympathischen, in Hypochonder-Manier erscheinenden Grag als „Höhepunkt“ geschrieben, unterhält „Nerven aus Stahl“ zumindest ansprechend.

Für „Captain Future“-Fans, die nicht auf die immer seltener werdenden amerikanischen Ausgaben zurückgreifen wollen, ist „Die Rückkehr von Captain Future“ ein Muss. Die deutsche Erstveröffentlichung dieser überwiegend positiv in Ehren ergrauten Geschichten ermöglicht nicht nur Anhängern der Zeichentrickserie einen Blick in den doch komplexen „Captain Future“-Kosmos, Edmond Hamilton greift auf einige Nebenfiguren der Jahre vorher erschienenen Texte zurück und führt ihre Lebenswege entweder weiter oder zu Ende. Da Captain Future als Überheld nicht in allen Texten im Mittelpunkt steht, wirken die hier versammelten vier Geschichten ausgeglichener und weniger stereotyp als eine Reihe von Storys, die Hamilton mit rasender Geschwindigkeit ein Jahrzehnt vorher für das „Captain Future“-Magazin niedergeschrieben hat. Frauke Lengermanns Übersetzung ist solide, auch wenn man sich an die „Futuremen“ als Begriff gewöhnen muss. Eine nicht nur „Captain Future“-Fans zu empfehlende Lektüre, die die letzten Ausläufer der Science Fiction des Golden Age beleuchtet.