Susan Hill: Die Frau in Schwarz (Buch)

Susan Hill
Die Frau in Schwarz
(The Woman in Black, 1983)
Aus dem Englischen von Lore Straßl
Knaur, 2012, Taschenbuch, 202 Seiten. 9,99 EUR, ISBN 978-3-426-50220-4 (auch als eBook erhältlich)

Von Gunther Barnewald

Der 1983 erstmals erschienene Schauerroman von Susan Hill wurde bei uns erst zehn Jahre später veröffentlicht. Nun, anlässlich der Verfilmung mit Harry-Potter-Darsteller Daniel Radcliffe in der Hauptrolle, legt Droemer das dünne Taschenbuch, zusätzlich ausgestattet mit 11 Fotos aus dem Film und einem Foto von den Dreharbeiten (insgesamt 8 Seiten Filmfotos), neu auf.

(Durch die Bilder wird deutlich, dass man zur Verfilmung eine Veränderung der Handlungsstruktur vorgenommen hat, denn die Szene mit den hier abgebildeten drei Mädchen in altmodischer Kleidung in einem Zimmer gibt es im Roman schlicht gar nicht.)

Hills aus heutiger Sicht kurzer Roman, fast eine Novelle, ist ein Meisterwerk subtilen Spannungsaufbaus und wird eindeutig dominiert von der gruselig-romantischen Atmosphäre. Während ausgefeilte Charaktere oder actionreiche Handlung völlig fehlen, beeindruckt das kleine Buch durch die unglaublich dichte Atmosphäre, in etwa wohl nur vergleichbar mit Shirley Jacksons Meisterwerk „The Haunting of Hill House“.

Die Handlung ist schnell zusammengefasst: Ein junger, aufstrebender Rechtsanwalt wird mit der Ordnung des Nachlasses einer alten Frau betraut, die im Alter von 87 Jahren verstorben ist. Dazu reist der Anwalt, Arthur Kipps mit Namen, in die Provinz, wo der Landsitz der alten Frau einsam auf einer Insel liegt, umgeben von Marschland, welches bei Flut unter Wasser steht. Niemand aus dem nahegelegenen kleinen Ort traut sich zu dem verwunschenen Haus, außer einem alten Kutscher, der die jüngst Verstorbene dereinst mit Lebensmitteln versorgte.

Schon auf der einsamen Beerdigung der alten Dame sieht Kipps eine kränklich wirkende Frau mit bösem Blick in altmodischer schwarzer Kleidung, die sonst niemand zu sehen scheint, und einige seltsam still wirkende Kinder. Als der junge Anwalt dann endlich das unheimliche Haus besucht, merkt er schnell, dass hier ein düsteres Familiengeheimnis begraben liegt und ein rachsüchtiger Geist den Ort für alle Besucher zur Hölle werden lässt...

So weit, so vorhersehbar. Was die Autorin in ihrer einfachen, schmucklosen Sprache jedoch aus dieser Vorgabe macht (unterstützt von einer tollen Übersetzung), ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man durch Andeutungen und vage Hinweise gepaart mit den Leser in den Bann schlagenden Naturschilderungen eine Atmosphäre kreieren kann, die ihresgleichen sucht.

Wer gerne altmodischen Grusel in feinen Pastellpinselstrichen sucht, den wird die vorliegende Geschichte restlos begeistern. Wer es jedoch eher handfest mag, wer mehr Handlung oder glaubhaftere Charaktere braucht, der sollte sich lieber eine andere Lektüre suchen. Hier sind eindeutig nicht die Stärken der Autorin zu finden. Die vielen, von der Autorin nach bekanntem Muster verwendeten Klischees (so erzählt Kipps die ganze Geschichte retrospektiv, um sich vom damaligen Horror zu entlasten, was dazu führt, dass der versierte Leser dem Plot am Ende des Romans mehr als nur erahnen kann) und die magere Handlung sind sicherlich nicht jedermanns Sache.

Wer sich jedoch völlig in die Hand der Autorin begeben kann und sich der manchmal inkohärent wirkenden Erzählung unterwirft, der erlebt ein düster-erschreckendes Schauspiel, welches deutlich macht, warum diese Geschichte völlig zu recht als „Gruselklassiker” gilt.