Lynn Raven: Blutbraut (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 28. Februar 2012 09:21
Lynn Raven
Blutbraut
Titelgestaltung von Hanna Hörl Designbüro unter Verwendung eines Motivs von Istockphoto/Olena Chernenko
cbt, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 736 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-570-16070-1 (auch als eBook erhältlich)
Von Irene Salzmann
Lucinda Moreira ist auf der Flucht. Nirgends darf sie länger verweilen und schon gar nicht Freundschaften knüpfen, denn die Gefahr, dass sie von dem Vampir und Hexer Joaquín de Alvaro gefunden und wider Willen zu seiner Blutbraut gemacht wird, damit er sich nicht in einen Nosferatu verwandelt, ist allgegenwärtig. Dann jedoch lernt sie den attraktiven Cris kennen und möchte wenigstens einmal ein bisschen Glück haben und lieben. Ihr Date wird jäh durch das Auftauchen einiger Vampire beendet, die das junge Paar entführen.
Nun ist genau das passiert, wovor Lucinda immer Angst hatte: Sie steht auf Santa Reyada, dem Anwesen der de Alvaros, Joaquín gegenüber, dessen Verwandlung in einen Nosferatu fast abgeschlossen ist. Ihm bleibt nur noch wenig Zeit, und Lucinda ist die einzige, die ihn vor diesem Schicksal und der Hinrichtung durch das Konsortium bewahren kann. Zwei Mal flieht Lucinda, zwei Mal wird sie wieder zurückgebracht – und zieht prompt unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich, denn eine Blutbraut ist auch für andere Familien von erheblichem Wert.
Das Verhalten von Cris, Joaquíns jüngerem Bruder, trägt ebenfalls nicht dazu bei, die Situation auf Santa Reyada zu entspannen. Obwohl er sie enttäuscht hat, empfindet Lucinda immer noch viel für ihn, und Cris wiederum macht keinen Hehl daraus, dass er sie für sich gewinnen möchte. Überdies bringt Cris die junge Frau durch nicht abgesprochene Ausflüge in Gefahr, was Joaquín besonders missfällt.
Lucindas Verwirrung wächst. Weder hat sich Joaquín auf sie gestürzt, um ihr Blut zu trinken, noch will er sie auf Santa Reyada festhalten, wenn sie zu gehen wünscht. Wann immer sie sich in Gefahr befindet, ist er zur Stelle, um sie zu beschützen. Dass er sie liebt und nicht nur wegen ihres Blutes begehrt, wird immer deutlicher. Zögerlich öffnet sie sich ihm mehr und mehr. Außerdem lassen vage Erinnerungen und das, was sie auf Santa Reyada erlebt, Zweifel in ihr keimen, dass ihre Tante María die Wahrheit gesagt hat, bevor sie von einem Nosferatu ermordet wurde. Joaquín könnte Lucinda eine Menge erzählen, aber er schweigt, weil er weiß, dass sie noch nicht so weit ist, um akzeptieren zu können, was vor Jahren tatsächlich passiert ist und in welcher Weise er Einfluss auf ihre Leben genommen hat.
Derweil schafft es ein gefährlicher Gegenspieler, einen von Joaquíns Vertrauten durch falsche Versprechungen auf seine Seite zu ziehen. Weder Joaquín noch Lucinda ahnen, dass eine gemeine Falle für sie vorbereitet wird, die in dem Moment zuschnappt, als Lucinda eigentlich in Sicherheit sein soll…
Den vielen Vampir-Geschichten hat nun auch Lynn Raven eine weitere Facette hinzugefügt: Ihre Blutsauger sind am Tag praktisch menschlich und erlangen erst nachts ihre Stärke, abgesehen von den Hexern unter ihnen. Doch diesen droht früher oder später die Verwandlung in einen Nosferatu, ein blutgieriges, skrupelloses Monster. Allein die passende Blutbraut, die ihr Blut freiwillig gibt, kann dieses Schicksal verhindern.
Da eine Gruppe Vampire einst einen Pakt mit den dunklen Mächten geschlossen hat, um ihre Angehörigen besser beschützen zu können, werden sie als das Böse schlechthin betrachtet und vom Ordre des Sorciers gejagt. Unter schwierigsten Bedingungen handelten beide Gruppen eine Art Waffenstillstand aus, der vor allem durch die Nosferatu gefährdet ist. Aus diesem Grund eliminieren die Mitglieder des Konsortiums ihrerseits die sich wandelnden Kameraden, falls diese nicht den Mut finden, ihr Leben selbst zu beenden. Dennoch können einige Nosferatu immer wieder entkommen. Tatsächlich haben sie sich sogar um einen Anführer geschart, der nach Macht strebt und im Hintergrund die Fäden zieht. Was er will, ist recht simpel, wie er es erreichen will, ist kompliziert, doch verfügt dieser Nosferatu über die notwendigen Mittel, um sein Vorhaben realisieren zu können, denn Joaquín, der ihn vielleicht als einziger zu stoppen vermag, spielt nicht nur eine wichtige Rolle in den Plänen dieses Feindes, von dem er lange nichts weiß, sondern er wird außerdem von anderen Familien bedrängt und ist fast selbst schon ein Nosferatu.
Dieser Konflikt rückt gegen Ende hin immer mehr in den Mittelpunkt, während die Probleme des Konsortiums mit dem Ordre und auch die internen Machtkämpfe im Hintergrund bleiben. Doch auch die Actionszenen und andere spannende Momente sind letztendlich nur Beiwerk, denn das wahre Anliegen der Autorin ist die Entwicklung der Dreiecksbeziehung Joaquín-Lucinda-Cris, die zahlreiche Hürden nehmen muss und mehr durch ihren Verlauf als durch das Ergebnis, das erfahrene Leser früh erahnen, überrascht. Die Romanze bleibt durchweg ein zögerliches Annähern, ein Hin und Her bis zum Schluss, der das ersehnte Happy End der Marke clean bietet.
Die Geschichte wird von Lucinda erzählt, die am liebsten ein ganz normales Mädchen wäre, aber selbst als Blutbraut noch etwas Besonderes ist aufgrund ihrer Abstammung. Das Rätsel um ihre Vergangenheit wird weitgehend gelöst. Joaquín, den sie lange als ihren Fluch betrachtet hat, ist attraktiv, ritterlich – ein wahrer Traummann. Das gilt auch für seinen treuen Freund Rafael. Cris dagegen macht mehr als einen Wandel durch. Außer ihnen gibt es einige weitere Helfer, die als Statisten fungieren. Ihnen gegenüber stehen die blutrünstigen Nosferatu, die Mitglieder der anderen Familien, die hoffen, ihre Positionen ausbauen zu können, wenn Joaquín beseitigt wurde, und die Feinde in den eigenen Reihen. Nicht jeder gibt gleich zu erkennen, auf wessen Seite er steht. Bewusst werden etliche Fragen nicht beantwortet, so dass mit einem Folgeband gerechnet werden darf.
„Blutbraut“ ist ein spannender Vampir-Roman, der dem Horror näher steht als der Romantic Mystery, obwohl die Beziehungen der Hauptfiguren den meisten Raum einnehmen. Allerdings sind die Schilderungen, wie sich aus Angst und Hass Verständnis, Zuneigung und Liebe entwickeln nicht so klebrig süß wie in zahlreichen anderen Büchern dieses Genres – und das gefällt genauso wie die spannenden Höhepunkte, wenn sich die Hauptfiguren in einer schier ausweglosen Situation befinden und um ihr Leben kämpfen müssen.
Durch die komplizierte Beziehung von Lucinda und Joaquín kommen einige Längen in die Handlung, insbesondere dann, wenn man als Leser schon ahnt, dass Gefahr droht, doch dieser Moment extra hinausgezögert wird. Hier hätte es der Handlung gut getan, wäre ein wenig gekürzt worden, beispielsweise die ausführliche Schilderung des Ausflugs zu Joaquíns geheimem Lieblingsplatz.
Aber man nimmt dies der Autorin nicht wirklich übel, da sie ihr Garn routiniert abspult, die Spannung immer wieder zu schüren weiß, einige überraschende Wendungen einbaut – und wahrlich einen Pageturner offeriert, der nicht nur Leserinnen ab 15 Jahre unterhaltsame Stunden bescheren wird, sondern der auch das reifere Publikum zu überzeugen vermag. Daher wartet man gespannt auf das nächste Buch.