Scarlet: Kinder der Revolution (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 01. Februar 2012 19:07
Scarlet: Kinder der Revolution
(Scarlet)
Text: Brian Michael Bendis
Artwork: Alex Maleev
Übersetzung: Andreas Kasprzak
Panini, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 164 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-86201.237-4
Von Frank Drehmel
Scarlet Rue ist ein selbstbewusstes junges Mädchen, das sich trotz seiner punkig-grungigen Attitüde und einer ziemlich großen Klappe letztlich nach einem vollkommen bourgeoisen Leben mit Mann, Kind und Tralala sehnt. Als sie eines Tages der süße Gabriel ihren Weg kreuzt, wähnt sie sich der Erfüllung ihrer Träume ein ganze Stückchen näher. Doch das gemeinsame Glück ist nur von kurzer Dauer: ein korrupter Polizist erschießt Daniel und stellt ihn fälschlicherweise als Drogendealer hin, während er Scarlet mit einem Kopfschuss so schwer verletzt, dass sie nur knapp mit dem Leben davonkommt.
Als der verbrecherische Cop auch noch offiziell belobigt wird, beschließt das genesene Mädchen, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Sie tötet den Bullen und startet mit dem Geld, das sie bei ihm findet, einen Rachefeldzug, dem nicht nur weitere Polizisten zum Opfer fallen, sondern der auch dank der virtuellen Social Networks, in denen sie sich zu einer Art Robin Hood hochstilisiert, in einer Revolution enden könnte, zumal die Obrigkeit ihrem Treiben relativ hilflos oder zumindest unbeholfen entgegentritt.
Beginnen wir mit dem Positiven, also dem Artwork: getragen vom schroffen, rauen Grundton der Zeichnungen Alex Maleevs loten die beiden Kreativen hinter diesem Projekt zwar nicht die Grenzen des Mediums aus, spielen aber in der Paneleinteilung, dem Seitenlayout, den Handlungsabwicklungen so gekonnt mit zahlreichen visuellen Möglichkeiten die ihnen das Medium bietet, dass es dem Comic-Fan zugleich Freude und Bedauern ist; Freude über die visuelle Lebendigkeit, Bedauern über die krude Story und das Geplapper eines Autors, der im Grunde nichts zu sagen hat.
Statt einer inhaltsschweren oder zumindest ernsthaften sozial-kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Verwerfungen, mit Selbstjustiz und neuen Medien, statt revolutionärer Gedanken in Form konstruktiver, positiver Gegenentwürfe zu dem System von Korruption und Machtmissbrauch, das die Protagonisten so vordergründig bekämpft und über das sie so nervtötend schwadroniert, statt einer gedanklichen Durchdringung des sozio-ökonomischen Kontextes, verbeißt sich Bendis in eine – in intellektueller Hinsicht – winzige, heroisch inszenierte Vendetta einer Narzisstin mit soziopathischen Tendenzen, von der man sich letztlich angewidert abwendet, nicht zuletzt, weil der Story jegliche positive Vision abgeht. Das endlose Lamentieren einer durchgeknallten, selbstgerechten Mörderin über eine verlorene Liebe, die etwa fünf Seiten lang dauert und damit für den Leser nicht wirklich begreifbar wird, sowie die schwülstigen Rechtfertigung von Untaten, die nicht zu rechtfertigen sind, sind in ihrer Plattheit und Vordergründigkeit kaum zu ertragen.
Fazit: Alleine das lebendige, mit den Möglichkeiten des Mediums spielende Artwork Maleevs rechtfertigt den Kauf dieses Tradepaperbacks; vom „sozialkritischen Anspruch“ hingegen unterscheidet sich Scarlet nicht signifikant von alten Punisher-Storys, außer dass das rothaarige Mädchen schier unerträglich rumschwallt.