S.T.A.L.K.E.R. – Shadow of Chernobyl 6: Tödliche Sümpfe, Aleksey Kalugin (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 12. Dezember 2009 00:00
S.T.A.L.K.E.R. – Shadow of Chernobyl 6
Aleksey Kalugin
Tödliche Sümpfe
(Aleksey Kalugin S.T.A.L.K.E.R.: Dom na bolot’e)
Übersetzunh: Helena Walter
Panini, 2009, Taschenbuch, 346 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-8332-1928-3
Von Frank Drehmel
Im Gegensatz zu den meisten anderen Stalkern, die in der Zone nach Artefakten suchen und dabei früher oder später ihr Leben lassen, hat Stir seinen Abschied aus dem verseuchten, physikalisch »verdrehten« Areal rund um den Reaktor von Tschernobyl schon geplant, kaum dass er die weithin bekannte Bar »Stalker« zum ersten Mal betreten hat. Nicht der sagenumwobene, Wünsche erfüllende Monolith im Zentrum des tödlichen Territoriums ist sein Ziel, sondern das schnelle Geld.
Als er der Doktor, jener legendäre Mann, der tief in den Sümpfen der Zone nicht nur Menschen, sondern grundsätzlich sämtlichen intelligenten Kreaturen mit unentgeltliche medizinischer Hilfe beisteht, falls sie es denn wollen, die Bar betritt, um sich mit Vorräten einzudecken und bestellte Waren abzuholen, heftet sich Stir an die Fersen des Mannes und seines Gehilfen, des Zombies Benito, um den beiden zu ihrem Haus zu folgen, sie dort zu töten und anschließend mit geraubten Schätzen die Zone auf Nimmerwiedersehen zu verlassen.
Doch das Vorhaben steht von Anfang an unter keinem guten Stern. Zum einen ist Stir als Neuling mit den Wesen beziehungsweise Gefahren der Zone nicht wirklich vertraut, zum anderen scheint er zusätzlich noch vom Pech verfolgt. So kommt es, dass der Doktor und Benito den Verfolger entdecken, als dieser gerade mit einem Rudel blinder Hunde um sein Leben kämpft. Für einen erfahrenen Stalker wäre das kein Problem, Stir trägt allerdings so starke Blessuren davon, dass er der medizinischen Hilfe des Arztes bedarf.
Der gutmütige Doktor führt den Verletzten zu seinem Haus, um ihn dort zu versorgen. Für Stir bedeutet dieses zwar, dass er der Verwirklichung seines perfiden Planes einen ganzes Stück nähergekommen zu sein scheint, aber nach wie vor will die Sache nicht rund laufen. Nicht nur dass Benito sich zu einem ernstzunehmenden Problem entwickelt, sondern auch darüberhinaus gehen immer wieder Sachen schief – zumindest aus Stirs Perspektive.
Es scheint, als habe sich die Zone selbst gegen den Stalker verschworen.
Nachdem der fünfte Roman der »S.T.A.L.K.E.R.«-Reihe, »Deserteur«, – freundlich ausgedrückt – einen qualitativen Erdrutsch in einem bis dahin ausgezeichneten belletristischen Franchise darstellte, wetzt Aleksej Kalugin mit »Tödliche Sümpfe« diese Scharte fast wieder aus.
Obgleich bei Lichte betrachtet im Haupthandlungsstrang vergleichsweise wenig passiert und im Wesentlichen nur drei Personen – Stir, der Doktor und Benito – die Geschichte tragen, überzeugt von Beginn an nicht nur der lockere, gefällige Schreibstil, sondern auch der Humor sowie die philosophisch angehauchten Exkurse in das Zombie-Dasein, das sich in »S.T.A.L.K.E.R.« wohltuend originell von Genre-Klischees unterscheidet. Angesichts der leichten Dialoge – das »tiefgründige« Zwiegespräch zwischen Benito und einem »Chimer« ist ein Highlight hinsichtlich Coolness und Lässigkeit – verschmerzt man es gerne, dass »Tödliche Sümpfe« nicht mit den exklusiven Hintergrund- und Zusatzinformationen aufwartet, die sich ein Gamer eventuell erhofft.
Ein glückliches Händchen stellt der Autor in der Charakterisierung des Hauptprotagonisten, Stir, unter Beweis, auch wenn dieser weit davon entfernt ist, ein vielschichtiger oder komplizierter Charakter zu sein. Seine Stärke ist es gerade, nicht überzeichnet zu wirken, sondern im moralischen Koordinatensystem des Lesers permanent haarscharf an der Grenze zwischen Gerade-noch-böse- und Fast-schon-gut-Bereich entlang zu schrammen, ohne die positive Seite je zu erreichen. Das lässt ihn die Rolle des unsympathischen Anti-Helden, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist, perfekt auszufüllen, ohne dass dieses seiner Qualität als Identifikationsfigur abträglich wäre.
Fazit: Gefällig geschrieben, lässig, humorvoll, dynamisch und hinreichend hintergrundspezifisch. Mehr muss ein Franchise-Roman nicht bieten.