Steam Noir 1: Das Kupferherz 1 (Comic)

Steam Noir 1
Das Kupferherz 1
Illustration & Story: Felix Mertikat
Story & Text: Benjamin Schreuder
Text in den Appendices: Verena Klinke
Cross Cult, 2011, Hardcover, 64 Seiten, 16,80 EUR, ISBN 978-3-942649-27-8

Von Frank Drehmel

Auch wenn das Verlagsprogramm Cross Cults nach wie vor von angloamerikanischen Comics beherrscht wird und europäische allenfalls als kuriose Randnotizen der klassischen Art nebenher laufen, so scheint man dennoch die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und bietet nunmehr auch jungen, frischen deutschen Comic-Künstlern und -Talenten die Chance, eigene ambitionierte Projekte in einem in editorischer Hinsicht extrem hohen qualitativen Standard an den Leser zu bringen.

Nachdem das Comic „Jakob“, welches den Beginn der Zusammenarbeit von Mertikat und Schreuder markierte, im Jahre 2010 mit dem Sondermann-Preis der Frankfurter Buchmesse ausgezeichnet wurde, fand mit „Steam Noir“ folgerichtig nun auch das zweite Projekt der beiden Kunstschaffenden den Weg zu Cross Cult.

„Steam Noir“ basiert auf dem von Felix Mertikat, Till Bröstl und weiteren Kreativen entwickelten Pen & Paper-Rollenspiel „Opus Anima“, welches den Spieler in eine weit entfernte Zukunft der Menschheit auf den Planeten Kurip-Aleph führt, in eine buchstäblich zerbrochene Welt, in der infolge verheerender Kriege und Katastrophen das Ende der Raumfahrt und eine neue Ära des Steampunks angebrochen sind und in der wandelnde Seelen grotesken Horror verbreiten.

Der Einbruch einer freien, umherwandernden Seele führt drei Agenten des auf Übernatürliches spezialisierten Leonardsbundes – die Tatortermittlerin Frau D., den Bizarromanten Herrn Heinrich Lerchenwald sowie den Maschinen-Menschen Herrn Hirschmann – in die alte Villa des in der Stadt Schierling gelegenen Reidlich-Anwesens. Dort finden sie zwar keine verwertbaren Spuren des Einbruchs, entdecken aber die eingemauerte Leiche eines achtjährigen Mädchens, was für Frau D. Anlass genug ist, die Ermittlungen auszudehnen.

In der Tat gelingt es Lerchenwald und Hirschmann nach und nach, zumindest die Identität des Kindes zu entschlüsseln; bevor sie jedoch entscheidend weiterkommen, werden der Bizzaromant und sein Roboter-Kollege in den überfluteten Stadtteil Aurich gerufen, um dort eine unregistrierte Seele einzufangen. Ein vermeintlich leichter Auftrag, würde Lerchenfeld nicht das umtreiben, was fast alle Menschen seiner Profession treibt: unbändige Neugier und die Frage, wie und warum einige Seelen aus Vineta – der Totenscholle – zurückkehren und andere nicht. Und ehe er sich versieht, wird er Opfer einer jenen unheimlichen, gefährlichen Realitäts-Verzerrungen, die mit den Seelen kommen.

Auch wenn er den kleinen Impressum-Hinweis überlesen hat, dass „Das Kupferherz“ 1 auf einem Rollenspiel basiert, so wird einem erfahrenen Leser mit jeder Seite klarer, dass hinter diesem Comic etwas Größeres – respektive Komplexeres – stehen muss. In erster Linie erwächst dieser Eindruck aus der seltsamen Diskrepanz zwischen geradezu beiläufiger, selbstverständlicher Beschreibung einer exotischen Welt, die in Einzelheiten frappierend der unsrigen ähnelt, der großen Zusammenhänge und der Hauptprotagonisten auf der einen Seite und den fast schon liebevollen, exzentrischen und phantastischen Details auf der anderen, die zusammen schon jetzt weit über das hinaus weisen, was gewöhnlicherweise von einem ersten Band einer Comic-Reihe zu erwarten ist.

Die Geschichte selbst überzeugt durch ihre stimmige und stimmungsvolle Steampunk- und Mystery-Atmosphäre, die schon angesprochenen skurrilen Details, einen spannenden Haupthandlungsbogen voller Rätsel und Geheimnisse sowie die sympathischen Protagonisten, wobei hier an erster Stelle der gleichermaßen dandyhaft coole wie mutige und obsessive Heinrich Lerchenwald zu nennen wäre.

Die leichten und markanten, unterm Strich klassisch aufgebauten Zeichnungen mit ihrer düster-trüben Koloration und den zahlreichen kleinen Details ergänzen in visueller Hinsicht die mysteriöse Story in ihrem morbiden Setting nahezu perfekt.

Lesern, die mehr über die Welt von Opus Anima erfahren wollen, bietet ein illustrierter redaktioneller Teil einige Zusatzinformationen, die allerdings keinen davon abhalten sollten, sich mit dem kostenlos downloadbaren Regelwerk auf der zugehörigen Website zu beschäftigen – insofern ist diese Comic tatsächlich auch eine gelungene Werbung für ein etwas anderes P&P-RPG.

Fazit: Eine fesselnden Welt, ein rätselhafte, spannend erzählte Story, sympathische Figuren und ein äußerst stimmungsvolles Artwork machen dieses erste Album zu einem echten Highlight. Bleibt zu hoffen, dass der für Oktober 2012 angekündigte zweite Band diese Qualität fortschreibt.