Ellen Datlow & Terry Windling (Hrsg.): Magic Bites (Buch)

Ellen Datlow & Terry Windling (Hrsg.)
Magic Bites
(Teeth – Vampire Tales, 2011)
Übersetzungen aus dem Amerikanischen von Ines Klön, Ursula Held und Renate Weitbrecht
Titelbildgestaltung von Frauke Schneider
Arena, 2011, Paperback mit Klappenbroschur, 444 Seiten, 12,99 EUR, ISBN 978-3-401-50314-1

Von Christel Scheja

Obwohl Ellen Datlow und Terry Windling selbst Autorinnen sind, erlangten sie seit den 1990er Jahren doch mehr Bekanntheit durch die Herausgabe von Anthologien zu bestimmten Themen. Immer wieder bewiesen sie großes Geschick, die unterschiedlichsten Autoren zum Mitschreiben zu bewegen und die interessantesten Geschichten auszusuchen, sodass nicht wenige dieser Geschichtensammlungen ausgezeichnet wurden.

Arena bietet mit „Magic Bites“ ihre erste – für einen Jugendbuch-Verlag zusammengestellte – Anthologie an. Die Herausgeberinnen möchten damit beweisen, dass es neben „Twilight“ und „Vampire Diaries“ noch mehr Ideen zu den charmanten Blutsaugern gibt, als man denkt. Unter den insgesamt neunzehn Autoren sind nicht nur Newcomer oder in den letzten Jahren bekanntgewordene Schriftsteller wie Cassandra Clare oder Garth Nix, sondern auch solche Fantasy-Urgesteine wie Tanith Lee oder Ellen Kushner. Selbst Kult-Autor Neil Gaiman ist mit einem Gedicht dabei. Dieser Text ist der einzige, der bereits schon einmal veröffentlicht wurde, alle anderen sind eigens für die Anthologie entstanden und daher neu.

„Was man über das Untotsein wissen sollte“ erzählt von einem Mädchen, das durch einen Autounfall zum Vampir wird. Glücklicherweise ist ihre Großmutter zur Stelle, die ihr mit viel Geduld und fernöstlicher Weisheit beibringt, weiter zu „leben“, auch wenn die alte Frau dafür einen hohen Preis zahlen muss.
„Gefährliches Lächeln“ ist den jungen Vampiren zu eigen, die den amerikanischen Traum von der Freiheit lieben und auf den Straßen Amerikas unterwegs sind.
„Auszeit“ beschreibt, wie die Jugendlichen in der Highschool damit zurecht kommen, dass nun auch Vampire in der Stadt sind und ihr Leben ordentlich auf den Kopf stellen, wenn auch nicht so, wie sie es sich erhoffen.
„Fliegen“ möchte Lenka gerne wieder können, aber das ist ihr durch die Leukämie verwehrt, die in ihr wütet. Doch das ändert sich, als sie mit ihren Eltern einen Varieté-Zirkus aufsucht und dabei entdeckt, dass es auch einen ganz anderen Weg gibt, um ihren Traum wahr werden zu lassen.
„Für immer besten Freundinnen“ sind Amy und Gina, die einander in der Abendschule kennenlernen. Doch ihr Band wird von der Tatsache überschattet, dass eine von ihnen ein Vampir ist, und die andere ebenfalls ein düsteres Geheimnis hat.
„Sonnengebleicht“ beginnt mit der Unerhaltung zwischen einem Vampir und dem Jungen, den er gerade erst dazu gemacht hat. Doch Joshua erkennt erst einmal nicht, was der Untote wirklich im Schilde führt.
„Bald wird alles gut“ betrachtet den Vampirismus als Krankheit, vor dem die Kinder geschützt werden müssen. Doch gibt es wirklich nur Nachteile, wenn man sich infizieren lässt? Der Hygieneunterricht will es jedenfalls weismachen.

Das sind nur einige der insgesamt neunzehn Geschichten, die sich durch eine große Bandbreite auszeichnen. Nur eines sind sie nicht: weitere Klone von „Twilight“ und Co., in denen es nur um Liebe und Romantik geht und die Blutsauger selbst nur exotische Freunde und Liebhaber sind, die sich ansonsten nicht von normalen Jungs unterscheiden. Auch wenn es manchmal um Begegnungen, Liebe und enge Freundschaften gehen mag, die Autoren verleugnen nicht die Jäger-Natur ihrer Protagonisten oder Gegner.

Schon im Vorort beschäftigen sich die Herausgeberinnen mit den verschiedenen Mythen und Legenden, seien es die klassischen aus Osteuropa stammenden oder die modernen, die erst im westlichen Kulturkreis entstanden sind. Sie zeigen die Verbindungen und Entwicklungen auf – und das findet sich ebenfalls in den Geschichten wieder, besonders in „Fliegen“, wo die junge Lenka entdeckt, was die Zirkus-Artisten wirklich sind und den Osteuropäern hilft, auch in der Gegenwart und Amerika anzukommen.

In einigen Geschichten sind die charmanten Verführer Dracula sehr ähnlich, in anderen wieder unterscheiden sie sich kaum von den Jugendlichen, weil sie selbst erst in dieser Zeit geboren sind und gar nicht wissen, wie sie sich sonst verhalten sollen. „Für immer beste Freundinnen“ zeigt die engen Bindungen, die manche bereit sind einzugehen und berührt auch durch seine unterschwelligen Themen emotional. Nur wenige Geschichten sind wirklich actionreich, die meisten setzen eher auf intensive Stimmungsbilder und Geheimnisse, die sich den Helden erst nach und nach enthüllen. Oft genug wird man auch vom Ausgang überrascht, denn die Autoren gehen so reif mit den Themen um, dass sie darauf verzichten, unnötige Happy Ends zu erzwingen und lieber auf einen passenden, wenn auch nicht glücklichen Abschluss setzen. Das macht die Erzählungen nur selten vorhersehbar und sehr abwechslungsreich.

„Magic Bites“ ist daher mehr als nur eine romantische Fantasy-Anthologie für Jugendliche. Tatsächlich dürfte sie eher ältere Leser ansprechen, die spannende und mystische Urban Fantasy erwarten, in denen sie sich jederzeit überraschen und nicht mit plakativen Lösungen abspeisen lassen müssen. Wer wieder einmal richtige Vampir-Geschichten lesen möchte, in denen es nicht um rein Liebe und schwärmerische Gefühle geht, der wird mit dieser Sammlung mehr als zufriedengestellt.