Julie Kenner: Zerrissen – Blood Lily Chronicles 2 (Buch)

Julie Kenner
Zerrissen
Blood Lily Chronicles 2
(Torn)
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
Titelillustration von Shutterstock
Lyx, 2011, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 298 Seiten, 9,99 EUR, ISBN 978-3-8025-8397-1

Von Carsten Kuhr

Wie fühlt man sich wohl, wenn eine Prophezeiung vorhersagt, dass man entweder die Welt retten, oder für den Untergang selbiger verantwortlich sei? Nun, Lily Carlyle kann von der Last, die auf ihren Schultern ruht, ein Lied singen. Als Dämonin wurde sie nach ihrem unfreiwilligen Abgang aus dem Leben wiedergeboren, die erste Pforte zur Unterwelt, hinter der die Dämonenhorden schon unruhig mit den Hufen scharren, wollte sie schließen. Stattdessen hat man sie hereingelegt, und ausgerechnet sie hat dafür gesorgt, dass die Pforte nun sperrangelweit offensteht. Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Vorsätzen – heißt es so treffend.

Eigentlich sollte Lily sich nun daran machen, Buße zu tun, vielleicht auch versuchen, die Pforte doch noch zu schließen und sich als Doppelagentin für den Verrat rächen. Doch erstens kommt es anders, als … wir kennen auch diesen Spruch. Also macht sie sich stattdessen auf, einen weiteren Schlüssel zu suchen – einen ultimativen Schlüssel, mit dem sich alle Pforten schließen, aber auch öffnen lassen. Und wer beauftragt sie mit der Suche? Nicht nur der verräterische Dämon Clarence, auch ihr Mörder, der Dämon Johnson, der ihre Schwester Rose verfolgt und geschändet hat, lässt erneut von sich hören. Ausgerechnet in den Körper von Rose schlüpft er – und es gibt nur Eines, mit dem man Lily noch unter Druck setzen kann: ihre Schwester Rose. Dazu kommt noch eine Helferin, die sie von Clarence untergeschoben bekommt; wem nur kann sie trauen? So sitzt unsere Kämpferin einmal mehr zwischen allen Stühlen, weiß sie doch auch nicht, ob sie Deacon vertrauen kann, denn zu oft schon wurde sie enttäuscht und betrogen.

Starke Frauengestalten prägen diese Serie, die actionreich und voller Verwicklungen daherkommt. Das sind beileibe keine Überfrauen, sondern, tapfere Frauen, die ihr Schicksal mutig annehmen. Sowohl Rose als auch Lily werden überzeugend als Opfer dargestellt, werden von den Ereignissen getrieben und müssen leiden. Dennoch, und das ist es, was sie als Protagonisten so interessant macht, geben sie nie auf, ist insbesondere Lily mit ihrer Fixierung darauf, wenigstens ihre Schwester vor dem Schlimmsten zu bewahren, koste es, was es wolle, ein Charakter, der uns Achtung abverlangt. Immer wieder steht sie vor dem moralischen Dilemma, entweder ihre Schwester opfern zu müssen, oder das Risiko einzugehen, die Erde der Dämonenhorden auszusetzen, und ein ums andere Mal entscheidet sie sich dafür, den schweren Weg zu gehen, und ihre Schwester zu retten. Das ist zwar dumm, oft naiv, dafür aber umso glaubwürdiger und für den Leser aus der persönlichen Historie heraus nachvollziehbar.

Die Rahmenhandlung mit der Bedrohung der Erde durch die Dämonen, die Verwicklungen, Geheimnisse und Kämpfe bieten sich abwechslungsreich und spannend an, das Tempo ist hoch, die Figuren markant. Konkurrenz für J. R. Ward.