Meyrink, Gustav: Der Kardinal Napellus (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 11. Januar 2010 00:00
Gustav Meyrink
Der Kardinal Napellus
Mit einem Nachwort von Nicole Rensmann
Titelgestaltung von Michaela von Aichberger
Eisenhut, 2009, Taschenbuch, 52 Seiten, 6,90 EUR, ISBN 978-3-942090-01-8
Von Irene Salzmann
Der Blaue Eisenhut (Aconitum napellus) ist eine Pflanze der Gattung Eisenhut (Aconitum) und gehört zur Familie der Hahnenfußgewächse. Wenn man sich – wie der junge Hagener Eisenhut Verlag – des Namens und eines Blütenlogos bedient, liegt es natürlich nahe, dass man auch dem Programm ein literarisches Werk hinzufügt, in dem diese Pflanze eine bedeutende Rolle spielt – wie in Gustav Meyrinks phantastische Erzählung über den Kardinal Napellus.
Gustav Meyrink, ursprünglich Meyer, wurde 1868 in Wien geboten, er lebte einige Jahre in Prag und München und starb 1932 in Starnberg. Seine Lebensgeschichte liest sich genauso interessant wie ein Roman und hatte ihren Einfluss auf seine schriftstellerische Tätigkeit.
Als unehelicher Sohn einer Schauspielerin und eines Ministers kämpfte er lange Jahre um (literarische) Anerkennung und kritisierte in seinen Werken das Spießbürgertum. Als seine Bücher erste Erfolge einfuhren, war die Familie seines Vaters endlich bereit, ihn zu legitimieren – was Gustav Meyrink prompt ablehnte. Seine Erzählungen wandten sich immer mehr neuen Themen zu: der Metaphysik, dem Okkultismus, der Suche nach dem Sinn des Lebens.
Zu seinen wichtigsten Titeln, die der Tradition von E. T. A. Hoffmann, E. A. Poe und H. P. Lovecraft folgen, zählen z. B. »Der Golem« (1913), »Das grüne Gesicht« (1917), »Der Engel vom westlichen Fenster« (1927). »Der Kardinal Napellus« erschien erstmals 1915; der vorliegende Text wurde der Sammlung »Fledermäuse. Sieben Geschichten.«, Leipzig, 1916: Kurt Wolff entnommen und von der Journalistin und Autorin Nicole Rensmann kommentiert.
Eine Gruppe Wissenschaftler ist in ein verfallendes Schloss eingezogen und geht ihren Tätigkeiten nach. Abends versammeln sie sich und warten auf das Eintreffen von Hieronymus Radspieller, welcher auch unter ihresgleichen ein Sonderling ist, der täglich mit seinem Boot auf den See hinausrudert, um mit einem Lot dessen Tiefe zu ergründen.
Als er sich zu ihnen gesellt, berichtet er begeistert, dass es ihm endlich gelungen ist, auf Grund zu stoßen, dass er die tiefste, messbare Stelle auf Erden gefunden hat. Auf die Freude folgt jedoch sogleich die Ernüchterung, denn seine Arbeit ist damit beendet: Was soll er nun tun? Die Wissenschaft interessiert ihn nicht, Glaube und Hoffnung hat er schon lange verloren, und es gibt nichts mehr, an dem er festhalten kann.
Schließlich erzählt er den Zuhörern von seiner Zeit bei den ›Blauen Brüdern‹, einer religiösen Sekte, die der legendäre Kardinal Napellus gegründet haben soll. Die sonderbaren blutigen Rituale weckten seine Angst und zerstörten alle seine Werte. Er floh vor dem ›Vampir‹, und immer wenn er meinte, seiner Vergangenheit entkommen zu sein, holt sie ihn wieder ein – auch diesmal …
Die Erzählung ist voller Anspielungen und Metaphern, die sich nicht gleich erschließen, sondern erst durch das informative und sorgfältig erstellte Nachwort klarer werden. Der Schlüssel liegt in den Erfahrungen und Anschauungen Gustav Meyrinks, seinen literarischen Vorbildern und religiös-mystischen Forschungen, aber auch in den Drogenexperimenten.
In seinen Geschichten lässt der Autor gern einen Ich-Erzähler auftreten, und man kann ihn durchaus in diesem Beobachter wieder finden, genauso aber auch in den anderen Personen, am meisten vielleicht sogar in den verstörten Opfern, die nach Antworten suchen, aber etwas verlieren, sobald sie glauben, ihr Ziel erreicht zu haben, oder die vor etwas auf der Flucht sind, dem man nicht entrinnen kann.
»Der Kardinal Napellus« ist keine leichte Lektüre und wendet sich an die Freunde der klassischen Phantastik, die nicht nur schnelle und leichte Unterhaltung suchen, sondern sich für Mystik und Esoterik interessieren – und selber vielleicht auf der Suche nach Antworten sind.