Carlos Rasch: Daheim auf Erden – Raumlotsen 3 (Buch)

Carlos Rasch
Daheim auf Erden
Raumlotsen 3
Titelillustration von Klaus Brandt
Projekte-Verlag Cornelius, 2010, Taschenbuch, 342 Seiten, 17,80 EUR, ISBN 978-3-86237-076-4

Von Armin Möhle

Mit „Daheim auf Erden“ legt der ProjekteVerlag Cornelius den dritten Band der „Raumlotsen“-Reihe von Carlos Rasch vor. Wie bereits in den ersten zwei Bänden, „Zurück zum Erdenball“ und „Orbitale Balance“, sind auch in „Daheim auf Erden“ bibliographische Daten über die Kurzgeschichten nicht enthalten. Durch Titelähnlichkeiten lassen sich jedoch einige (überarbeitete?) Nachdrucke identifizieren.

Die erste Story in „Daheim auf Erden“, „Rekordflug im Jet-Orkan“, erschien erstmals 1968 (in gekürzter Fassung?) in dem DDR-Magazin „Technikus“. „Zwischenfall auf Spitzbergen“ und „Stützpunkt Merkur“ beruhen offenbar auf „Explosion im Nordmeer“ (ebenfalls – gekürzt? – in „Technikus“, 1968) und auf „Gluthölle Merkur“ („Neues Leben“, Jahrgang 15, 1968). „Rekordflug im Jet-Orkan“ und „Explosion im Nordmeer“ erschienen nahezu zeitgleich auch in ungekürzten Versionen. „Die Mondstaubbarriere“ im Erzählungsband „Krakentang“ (1968, Neues Leben) wurde zu „Endlich Mondstaub“ in „Daheim auf Erden“.

Genau wie „Zurück zum Erdenball“ und „Orbitale Balance“ wird auch „Daheim auf Erden“ mit einer schwachen Story eröffnet.

Der „Rekordflug im Jet-Orkan“ soll eine Reihe von Ersatzorganen in den Irak bringen, wo zahlreiche Opfer eines Eisenbahnunglücks medizinisch versorgt werden müssen. Zufälligerweise hat Professor Cavalljo eine neue Methode für die Entwicklung und den Transport von Ersatzorganen entwickelt, doch leider ist das Flugzeug, in dem er sich befindet, nur unterschallschnell. Der Pilot will in höheren Schichten der Atmosphäre die Geschwindigkeit eines Jet-Orkans nutzen, um seine Maschine auf Überschallgeschwindigkeit zu beschleunigen. Das gelingt ihm auch, ohne dass sein Flugzeug auseinander bricht – was angesichts der Tatsache, dass überschallschnelle Flugzeuge gewisse konstruktive Besonderheiten aufweisen (müssen), absurd ist.

Mit „Verwirrung im Orbit“ beschäftigt sich der Raumlotse Jan. Auf der Raumstation ELLIPSOS gibt der Stationscomputer vermeintlich sinnlose Befehle. Es stellt sich heraus, dass er von „elektrostatischen Wanderladungen“ (Seite 83) verwirrt wird, deren Identität Jan aufklärt. „Verwirrung im Orbit“ ist eine sympathische Story, deren Motiv sehr menschlich ist, auch wenn die Auflösung bereits früh angedeutet wird.

Der Altlotse Ben Brigsen und die Psychologin Cora sollen in Kristallenborg auf Spitzbergen Nachwuchsgewinnung für die Raumflotte betreiben, als bei einer unterseeischen Versuchsbohrung ein Ingenieur getötet wird: „Zwischenfall auf Spitzbergen“. Ben und Cora werden in die Ermittlungen über den Vorfall involviert, der sich als Industriespionage herausstellt. Die Täter werden ermittelt und gefasst, ihre Auftraggeber jedoch nicht. Hier erhält die Zukunftswelt des Carlos Rasch Risse, die im Gegensatz zu den Storys „Raumpiraten und Mondmetall“ und „Aktion Meteroritenstopp“ in „Orbitale Balance“ nicht gekittet werden, was den Zukunftsentwurf des Autors etwas authentischer erscheinen lässt.

Auch „Stützpunkt Merkur“ spielt in Kristallenborg, freilich nur vordergründig. Der Altlose Ben berichtet von seinen Erlebnissen auf Merkur während seiner aktiven Dienstzeit. Ein Versorgungsraumschiff ist auf der Tagseite des Planeten abgestürzt. Es gilt, die Crew und die Ladung zu retten. Die Stationsbesatzung macht sich auf den Weg durch die Gluthölle. Später muss sie sich mit ihren Robotern auseinander setzen, die die Menschen vor der Verschiebung des Terminators retten wollen. Antiquiert wirken die Diskussionen der Stationsmitglieder darüber, ob eine Frau unter den strapaziösen Bedingungen auf Merkur arbeiten kann und sollte (sic!).

In „Endlich Mondstaub“ überrascht der Autor seine Leser zunächst mit der Ankunft des Raumschiffes AZIMUT, einem Geschenk der Bewohner von Epsilon Eridani III, mit dem die Besatzung des Raumschiffes, das das heimatliche Sonnensystem vor drei Jahrzehnten verließ, zurückkehrt. In den vorangegangenen „Raumlotsen“-Erzählungen war von jener „Transsol-Expedition“ (Seite 222) nicht die Rede ... Doch die Raumfahrer können nicht von ihrer Reise berichten, denn sie liegen im Koma.

Auf der Erde wird ein Medikament entwickelt, doch die Transportrakete stürzt etwa einhundert Kilometer von der Mondstation PORT SELENA ab. Es wiederholt sich die Rettungsexpedition aus „Stützpunkt Merkur“, nur mit dem Unterschied, dass ihre Teilnehmer nicht von einer Gluthölle, sondern von dem unbekannten Krankheitserreger bedroht werden – Quarantäne ist in der Zukunftswelt des Autors (wie bereits in „Tödliche Heimkehr zur Erde“ in „Orbitale Balance“) ein Fremdwort.

In „Vikonda in Ozeanien“ unternimmt die AZIMUT mit Hilfe der „Substanz Gravitonium“ (Seite 280) einen Zeitsprung in die Zukunft, um etwaige Überlebende des Raumschiffs CALIGARI zu suchen, die bereits mit Gravitonium experimentierten und in die Zukunft geschleudert wurden. Die Menschheit existiert in fünf Jahrhunderten mangels Ozonschicht nicht mehr. Ben und Jan entdecken auf einer Pazifikinsel eine Überlebende der CALIGARI und freunden sich mit den Bewohnern der Insel, den Krabbieren (gentechnisch veränderte und intellektuell zurückentwickelte Menschen), an. Das hat genau wie die Bergungsexpedition in „Endlich Mondstaub“ den Charakter einer Nebenhandlung, ohne dass jedoch relevantere Ereignisse folgen. Die Begegnung zwischen den Krabbieren und den Menschen erinnert an Situationen, die in der „Perry Rhodan“-Serie häufig beschrieben wurden – ohne die Bedrohung durch einen übermächtigen Feind, versteht sich. Und Zeitreisen haben „Perry Rhodan“ & Co. auch gerne unternommen... In der Story ist (wie in mehreren „Raumlotsen“-Kurzgeschichten zuvor) unvermittelt von einem Stargate die Rede, ohne das sich hieraus eine Handlung entwickelt: „Sie hätten dann (...), einen (...) Stützpunkt (...) errichten können (...), um per Stargate Verbindung mit der Siedlungswelt JUWELA aufzunehmen oder gar dorthin überzuwechseln.“ (Seite 282). Und das fünfhundert Jahre in der Zukunft ...! Mit „Vikonda in Ozeanien“ verabschiedet sich der Autor endgültig von seinem Anspruch, eine realitätsnahe Zukunftswelt zu schildern.

Die Kurzgeschichten in „Daheim auf Erden“ weisen mehr als die in „Zurück zum Erdenball“ und in „Orbitale Balance“ Ungereimtheiten, thematische Wiederholungen und langatmige Schilderungen auf. Der geplante vierte Band der „Raumlotsen“-Reihe, „Stern von Gea“, ist noch nicht erschienen.