James Islington: The Will of the Many - Hierarchy 1 (Buch)

James Islington
The Will of the Many
Hierarchy 1
(The Will of the Many, 2023)
Übersetzung: Gerda M. Pum
Titelbild: Jaime Jones
Adrian, 2025, Hardcover, 784 Seiten, 24,95 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Die Catenische Republik, Hierarchie genannt, beherrscht die Welt. Dabei ist ihre Vormachtstellung mitnichten auf Armeen, Flotten oder technische Errungenschaften gegründet. Die Hierarchie beruht einzig und allein auf „Willen“.

Menschen, zumeist Octavii, geben - mehr oder minder freiwillig - geistige und körperliche Energie an andere, vorgesetzte Menschen ab. Von den untersten Ebenen - dem Septimus, der den Willen von acht Menschen erhält - bis hin zum Princeps - der immerhin den Willen von 40.320 Menschen bekommt -, reicht die Machtpyramide. Das Militär, die Religion und die Staatsführung stehen dabei theoretisch gleichrangig und gleichberechtigt nebeneinander.

Mit Hilfe des Willens werden Gebäude geschaffen. Riesige steinerne Schiffe fliegen durch die Luft. Die Angehörigen der drei Pyramiden des Reiches bleiben dabei naturgemäß so gut wie unter sich. Natürlich werden die vielversprechenden Zöglinge der wichtigsten Familien in einem Elite-Internat, einer abgelegenen Akademie, unterrichtet. Während des Studiums ist die Nutzung des Willens verpönt und wird mit sofortigem Ausschluss bestraft.

Und genau da komme ich ins Spiel. Man nennt mich Vis Telimus - eine Waise, dessen Eltern vor drei Jahren einem tragischen Unfall zum Opfer fielen. Seitdem schlage ich mich mit illegalen Kämpfen durch und vermeide die Aurora Columnae - antike Säulen, ein Überbleibsel einer lange verschollenen Zivilisation - sowie die Sapper, Gerätschaften, die einem zwangsweise Willen entziehen, wie die sprichwörtliche Pest.

Als Senator Quintus Ulciscor Telimus mich adoptiert, um mich als seinen Agenten in die Catenan-Akademie einzuschleusen, ahnt er nicht, dass er damit einen Gesuchten in seinen Haushalt aufnimmt.

Es ist korrekt, dass meine Eltern vor drei Jahren starben - doch sie, die Herrscher eines kleinen Nachbarstaates -, wurden ermordet. Ich, der Kronprinz, bin seitdem flüchtig. Rebellen, deren Anführer ein früherer Berater meines Vaters ist, wollen mich ebenso vor ihren Karren spannen wie der Senator und die Mächtigen des Reiches - ich aber habe nur ein Ziel: überleben.


Was ist das für ein Roman - Auftakt einer neuen Reihe -, der nach seiner Veröffentlichung im angloamerikanischen Sprachraum für Aufmerksamkeit und Aufregung sorgte?

Ein Buch, in dem zunächst wenig passiert. Auf den ersten Blick ein Akademia-Titel in einer an das Römische Reich erinnernden Welt.

Dann aber präsentiert uns der Verfasser ein Magiesystem, das ebenso innovativ wie überraschend ist. Ergänzt wird dies durch eine Kultur, die ebenso stimmig durchdacht ist, wie sie uns Figuren voller Tiefe und Ambivalenz präsentiert. Politische Intrigen und Verrat sind an der Tagesordnung, soziales Ansehen ist fast so wichtig wie militärische Macht, und die eroberten Völker sind unter dem Joch der catenanischen Herrschaft unruhig. Hier fühlte ich mich anfänglich, was das Setting anbelangt, ein wenig an Jim Butchers „Codex Alera“ (dt. bei Blanvalet) erinnert, wobei Islington dann ganz eigene Wege suchte und fand.

Endlich erwartet uns somit keine der mittlerweile so austauschbaren Fantasy-Welten archaischer Prägung. Der Autor inkludiert Magie, doch ist diese weit von den Zauberstäben alter Schule entfernt.

Und der Verfasser konzentriert sich auf seinen Erzähler.

Vis steht ganz unstrittig im Zentrum des Buchs. Aus seiner Sicht erleben wir die Geschehnisse, erfahren die Geheimnisse und machen uns mit dem Plot vertraut. Bei all dem, was unser Protagonist tut, bewegt und erreicht, fühlen sich die geschilderten Vorkommnisse doch in sich stimmig an.

Vis ist dabei ein ungewöhnlicher Held. Er sucht beileibe nicht das Rampenlicht, Ruhm ist ihm egal, er will kein Held sein - und wird es gerade deswegen umso mehr. Seine Entwicklung wird uns vom Autor wunderbar stimmig und nachvollziehbar aufbereitet.

Dabei bemüht er sich, all seine Figuren vielschichtig und lebensecht zu zeichnen. Jede der vergebenen Rollen wird mit einem ambivalenten Menschen besetzt, der oder die entsprechend seiner Herkunft und seiner sozialen Statur überzeugend agiert.

Insgesamt ist „The Will of Many“ stilistisch sehr gut geschrieben, hat ein angenehmes Tempo und bietet jede Menge Intrigen, Action sowie ein einzigartiges Setting für jeden Fan epischer Fantasy.