Carey, Jaqueline: Der Verrat – Kushiel 2 (Buch)

Jacqueline Carey
Der Verrat
Kushiel 2
(Kushiel’s Chasen, 2002)
Titelbild von Anke Koopmann
Karte von Erhard Ringer
Lyx, 2008, Paperback mit Klappenbroschur, 860 Seiten, 16,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8121-2

Von Birgit Scherpe

»Der Verrat« ist der zweite Band der »Kushiel«-Trilogie von Jacqueline Carey und schließt fast nahtlos an die Ereignisse der ersten Bandes, »Das Zeichen«, an. Um sich schnell in die Handlung und vor allem in die Charaktere einfinden zu können, hilft es, den ersten Band gelesen zu haben. Zwingend notwendig ist es allerdings nicht.

Gut ein Jahr nach der Schlacht gegen die Skaldi beschließt Phèdre, die Spur der geflohenen Landesverräterin Melisande Sharizai aufzunehmen. Denn sie weiß, dass dieser die Flucht nie ohne Hilfe hätte gelingen können, und dass sich noch immer ein Verräter, der dem Hause Sharizai treu ergeben ist, am Hofe der Königin Ysandre aufhalten muss.
Um Land und Königin zu schützen und um ihr Gelübde an Naamah zu erneuern, kehrt Phèdre in die Cité Eluas zurück und beginnt dort mit ihren Nachforschungen. Unterstützt wird sie dabei von ihren drei Chevaliers Fortun, Remy und Ti-Philippe und von ihrem treuen Begleiter und Geliebten, dem cassilinischen Mönch Joscelin Verreuil.
In der Cité angekommen müssen sie schnell feststellen, dass Melisande ihre Spuren gut verwischt hat. Dennoch gelingt es ihnen, nach und nach Bruchstücke von Hinweisen zusammenzutragen, bis schließlich alles darauf hindeutet, dass sich Melisande de Sharizai in der sagenumwobenen Lagunenstadt La Serenissima aufhält. Und so macht sich Phèdre mit ihren Männern auf die Reise nach Süden, die Verräterin zu stellen.
In La Serenissima geraten sie jedoch schnell in ein unüberschaubares Netz aus Intrigen und Verrat, in das unter anderem diverse Mitglieder der Familie des Dogen verwoben sind, und plötzlich dreht sich der Spieß um, und Phèdre wird von der Jägerin zur Gejagten.

Auch der zweite Teil der »Kushiel«-Trilogie bemüht sich wieder, alles zu bieten, was das Herz eines Lesers nur begehren kann: Spannung, Abenteuer, große Gefühle, Erotik und ein wenig Mystik. Hierfür bedient sich Jaqueline Carey reichlich an den zahlreichen immer wieder gerne genommenen Elementen der Fantasy- und Abenteuer-Literatur. Wunderschöne Frauen, tapfere Männer, wilde Piraten, rauschende Bälle, mächtige Götter und religiöse Mythen – dies alles und noch viel mehr tummelt sich im Roman um die wunderschöne, kluge und anmutige Kurtisane Phèdre no Delauny Comtesse de Montrève und ihre Begleiter.
Realistisch oder tiefsinnig ist davon eher wenig, weder die übertrieben schöne und begabte Heldin, die in diesem Buch innerhalb weniger Wochen ihre siebte Sprache lernt und auch nach den kräftezehrenden Strapazen noch die Schönste von allen ist, noch ihre abenteuerlichen Begegnungen mit wilden Piraten, tumben Gefängniswärtern und grausamen Freiern, die sie grundsätzlich völlig unbeschadet und immer anmutig übersteht. Aber realistisch und tief schürfend muss es ja auch nicht unbedingt sein, wenn es ansonsten gut unterhält.
Und das tut »Der Verrat« trotz seiner Oberflächlichkeit. Der Roman lässt sich dank des flüssigen Schreibstils und der farbenprächtigen Beschreibungen angenehm und locker weg lesen, und nur die merkwürdige Angewohnheit Jaqueline Careys, bestimmte Hinweise immer wieder in fast wortgleichen Sätzen zu wiederholen, stört ein bisschen. Schön ist, dass die Autorin sich bemüht hat, im ersten Drittel die wichtigsten Ereignisse aus dem ersten Teil der Trilogie mit einzubauen, so dass auch Leser, die »Das Zeichen« gar nicht oder vor längerer Zeit gelesen haben, einen leichten Einstieg in die Geschichte bekommen.
Das erotische Element, welches die Geschehnisse des ersten Bandes noch relativ stark dominierte, spielt in diesem Teil übrigens eine wesentlich geringere Rolle und steht weit hinter den Abenteuern Phèdres und der Entwicklung ihrer Beziehung zu Ihrer wahren Liebe Joscelin zurück. Wem gerade dieser Aspekt des ersten Bandes besonders gefallen hat, wird mit diesem Buch also eine kleine Enttäuschung erleben.

Alles in allem fühlt man sich beim Lesen von »Der Verrat« ein wenig in die bunte spannende Welt der alten Kostüm- und Piratenfilme der 50er Jahre versetzt, wo alle Damen elegant, alle Rettungen dramatisch und die Helden schneidig und verwegen waren. Wer diese Art von Filmen mag und auch mal gerne den einen oder anderen historischen Liebesroman liest, wird an dem zweiten Band der »Kushiel«-Trilogie bestimmt viel Freude haben.