Brom: Slewfoot - Die Geschichte einer Hexe (Buch)

Brom
Slewfoot - Die Geschichte einer Hexe

(Slewfoot - A Tale of Bewitchery, 2021)
Übersetzung: Simona Turini
Festa, 2024, Hardcover, 542 Seiten, 24,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Es beginnt 1666 in Sutton, Connecticut. Abitha ist mit ihren mittlerweile 20 Lenzen seit zwei Jahren die Ehefrau eines Puritaners. Ihr eigener Vater hat sie, dem königlichen Edikt und den damit verbundenen Münzen folgend, aus London in die neue Welt verkauft - eine Welt, die dringend Frauen für ihre Siedler benötigt.

Dass Abitha in ihrem Elternhaus Lesen lernte, dass sie einen eigenen Kopf hat, den sie auch zum Denken nutzt, ist ungeschickt, sind die sittsamen und gottesgläubigen Puritaner doch der festen Überzeugung, dass der Mann bestimmt, die Frau zu gehorchen hat. Die Schandpfähle in der Ortsmitte, die immer gut gefüllt sind, legen beredt Zeugnis von dieser Einstellung ab.

Abitha hat es dabei noch recht gut getroffen. Ihr Mann ist ihr zugetan, ja hört manches Mal auf ihren Rat. Dass sein Bruder, die Farm, die Abitha und ihr Gemahl bewirtschaften, versetzt und verloren hat, kann, will Abitha nicht hinnehmen. Zu sehr haben sie gehungert, um dem Bruder das Land mit der jährlichen Ernte abzukaufen - etwas, das jetzt plötzlich obsolet sein soll?

Als die Ziege Samson in einer Höhle verloren geht, ahnt sie nicht, dass dort etwas Uraltes erwacht ist. Etwas, das Hörner und gespaltene Hufe hat, etwas, das hungrig ist und sich von Blut ernährt - Slewfoot, wie sie ihn nennt, der ihr vielleicht bei ihrem eigentlich aussichtslosen Kampf gegen die Puritaner, gegen ihren rücksichtslosen, verräterischen Schwager helfen könnte…


Brom hat nicht unbedingt viele Bücher publiziert. Immer aber, wenn ein neues Werk von dem Multitalent erscheint, erwartet die Rezipienten etwas Besonderes. Einfühlsam vom Verfasser selbst illustriert, entführt er uns dieses Mal in die Neue Welt - eine Bühne, die erschreckend überzeugend gezeichnet wird. Die Figuren agieren in ihrem Kontext genauso, wie wir es uns vorstellen können: der Mann als Gott gewollte Krone der Schöpfung, die Frau als rechtloses Anhängsel, das diesem zu dienen hat.

In wechselnden Kapiteln berichten Abitha und Slewfoot - ein von Abitha ersonnener Spitzname für Satan - von den Ereignissen, die sie beide zu ungewöhnlichen Verbündeten macht. Aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln, werden die Geschehnisse beleuchtet.

Beide wurden gegen ihren Willen in diesen abgeschiedenen Teil Neuenglands gebracht, in der Fremde über sie entscheiden und bestimmen wollen. Ihr Aufbegehren dagegen, ihre Suche nach Identität und Freiheit schwingt als unterschwelliges Motiv im Plot mit.

Abitha sucht neben ein wenig Geborgenheit und Glück ihre Freiheit, die durch die religiösen Überzeugungen der Gemeinschaft um sie herum massiv eingeschränkt wird. Slewfoot hingegen wurde von drei Geistern des Landes beschworen, die ihm eine Bestimmung aufzwingen wollen, die sich mit seinen Erinnerungen an seine frühere Existenz und der damaligen Rolle beißen. Ist er der Teufel, als den ihn die Kolonisten aufgrund seiner äußeren Erscheinung sehen, oder doch eher der verehrte Gott früherer Zeiten?

Diese Entwicklungen hat Brom geradezu minutiös festgehalten. Wir erleben mit, wie sich die beiden Charaktere angesichts der Fährnisse, die ihnen widerfahren, folgerichtig und nachvollziehbar entwickeln. Dies alles wird herrlich unaufgeregt erzählt, die Entwicklungen fußen auf interessanten Ideen und entwickeln sich dann langsam aber unaufhaltsam fort.

Ja, das Tempo ist langsam, Brom nimmt sich die Zeit, uns seine Figuren, deren Umgebung, ihre Feinde in Ruhe vorzustellen. Es dauert, bis die Geschichte richtig ins Rollen kommt, im Finale erwartet uns dann die große, blutige Abrechnung, der wir nach sorgfältiger Vorbereitung gerne folgen.

So ist dies ein zu Beginn sehr ruhiger, leiser Roman, der uns wunderbar stimmig und interessant gezeichnete Hauptfiguren anbietet, die in ihrer glaubwürdig gezeichneten Umwelt nachvollziehbar agieren. Ein Roman, der uns Frau wie Monster ans Herz legt, ihren Kampf begreifbar und gerechtfertigt erscheinen lässt und letztlich in einem Gemälde von Blut passend endet.