Stefanie Lasthaus: Rapunzels finsterer Turm (Buch)

Stefanie Lasthaus
Rapunzels finsterer Turm
Heyne, 2024, Hardcover, 432 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Gunther Barnewald

Erst einmal ein großes Lob für die Gestalter dieses toll anzusehenden „Hardcovertaschenbuchs“ (vom Format her ein Taschenbuch, jedoch mit Hardcovereinband), denn die Verwendung von Teilen des Covermotivs für den kompletten Buchschnitt (also oben, unten und vor allem seitlich) ist eine Wucht. Mittlerweile findet man ja viele Paperbacks mit diesen Rundumverzierungen, jedoch nur sehr selten dermaßen gelungen wie im Fall von „Rapunzels finsterer Turm“.


Im vorliegenden Buch erzählt die Autorin die Geschichte der jungen Florie Deverell, deren ehemaliger Freund Sam, mit dem sie aber noch zusammenlebt, als Fahrradkurier stirbt, als er überfahren wird. Der Täter flieht. Danach kündigt Flo ihren Job in einem Tatoo-Studio, da dieses nach einem leichten Brand umgebaut werden muss.

Sie wird durch einen Flyer auf einen Job in einem abgelegenen Hotel aufmerksam. In Westmill betreibt ein Mann namens Hamilton Brand ein idyllisches Hotel, welches von ihm ebenfalls gerade renoviert wird. Da aber weiterhin Gäste dort übernachten, sucht Hamilton eine Angestellte, die ihn am Empfang manchmal vertreten kann.

Da sich Flo gut mit Hamilton zu verstehen scheint, er ihr auch noch eine kostenfreie Hütte zum Übernachten anbietet, welche im Lohn enthalten sein soll, nimmt die junge Frau den Job an.

Zuerst scheint alles gut zu laufen und Flo entdeckt, dass es auch noch einige andere junge Frauen am Ort gibt, die ebenfalls vor einiger Zeit in Westmill zugezogen sind und mit denen sie sich anfreundet.

Eines Tages trifft sie bei einer Wanderung auf eine alte Frau namens Gothel, von der eine merkwürdige Präsenz auszugehen scheint. Niemand kennt die alte Dame, die in einer Hütte im Wald zu wohnen scheint, in deren Nähe ein alter, verlassener Turm steht.

Bald gerät Flos Welt aus den Fugen, denn die alte Frau ist mehr als nur unheimlich, und ihr vermeintlich netter Retter und Arbeitgeber Hamilton ist leider auch nicht das, was Flo von ihm glaubte...


Lasthaus nimmt den Leser mit auf einen üblen Horror-Trip, der allerdings etwas darunter leidet, dass die Handlung immer mehr ins Übernatürliche kippt.

Wer sich fragt, warum das Buch eigentlich unbedingt in den USA spielen muss (der größte Teil der Handlung würde auch problemlos in Europa spielen können), der kann sich dies vielleicht mit der Gegebenheit der erzählten Geschichte beantworten. Zwar gibt es hier keine „normalen“ Serienmörder (dafür entwirft die Autorin einen anderen Ansatz der Erklärung, der aber hier noch nicht verraten werden soll!), aber wenn dann mehr als einer dieser Bösewichte auftritt, würde man doch eher vielleicht an die USA denken als an Europa.

Vielleicht übertreibt die Autorin hier auch etwas. Trotzdem gelingt ihr ein guter und ziemlich dauerhafter Spannungsbogen, der vor allem die zweite Hälfte der Geschichte gut trägt.

Schwachpunkt ist allerdings der Übergang der ruhigen Erzählung zu Beginn zu dem eher handlungsorientierten zweiten Teil, nachdem die Protagonistin das Geheimnis der alten Frau mit Namen Gothel entdeckt hat. Dieser Wechsel erscheint fast surreal und anfangs etwas unglaubwürdig. Wenn man sich mit der Prämisse der Autorin dann aber einmal angefreundet hat, ergibt sich nochmals eine wirklich spannende (wenn auch nicht wirklich glaubwürdige) Geschichte.

Der eher nüchterne Stil von Lasthaus befördert zwar zu Beginn die Atmosphäre der Erzählung (vor allem die der Idylle des kleinen Dorfes Westmill inmitten von Wäldern und Sumpfgebieten), reibt sich dann aber doch arg an den esoterischen Elementen der Geschichte. Hier hätte etwas mehr sprachliche Eloquenz oder zumindest der vermehrte Einsatz von „Fachbegriffen“ vielleicht geholfen, dem Ganzen mehr den Anschein von Glaubwürdigkeit zu geben. So wirkt das erzählte Geschehen streckenweise sehr an den Haaren herbeigezogen (ha, ha; fader Witz bei einem Buch über die Märchenfigur Rapunzel!).

Überhaupt gelingt es Lasthaus nicht wirklich, eine Barriere von der alten Märchen-Geschichte zum modernen Horror zu schlagen.

Was bleibt ist eine wunderbar gestaltete Buchausgabe und eine immerhin sehr spannende Geschichte mit guter Atmosphäre; leider mit einem starken Defizit an Glaubwürdigkeit im Plot!