Oliver Hoffmann: Moriarty und das erste Opfer (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 09. November 2024 10:44
Oliver Hoffmann
Moriarty und das erste Opfer
Dryas, 2024, Hardcover, 216 Seiten, 24,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Wir kennen die einander so verfeindeten Masterminds: auf der einen Seite der Über-Detektiv Sherlock Holmes, ein drogenabhängiger Mann, manisch, vielleicht gar schizophren, aber auch ein Genie; sein Widerpart, der Meister des Verbrechens, der Mathematik-Professor James Moriarty, der hinter allem Bösen, das London, ja der Welt widerfährt, steckt.
Doch war es wirklich so, wie der Chronist, Dr. Watson, dem Leser in seinen schnellgeschriebenen Kladden weismachen wollte? War James Moriarty wirklich der König des Verbrechens?
Schon zweimal hat das ehemalige Gassenkind und Diebin Molly Miller Professor Moriarty bei der Aufklärung eines Verbrechens geholfen. Als Dank durfte sie den vermeintlich verstorbenen Professor, nebst Gattin Irene Moriarty-Adler, in Nordfrankreich besuchen und mit diesen ausspannen. Im Auftrag Mycroft Holmes‘ besorgt unser Professor dort interessante Details über die Französische Marine - bis ein gewisser Sherlock Holmes um seine Hilfe nachfragt.
Ein Mitglied der besseren Gesellschaft Londons wurde erhängt aufgefunden. Was zunächst nach einem Suizid aussieht, das erweist sich bei näherer Betrachtung als grausamer Mord. Die Beine einbetoniert, verdurstete das Opfer unter heftigsten Schmerzen. Schon die Todesart weist auf ein Verbrechen aus Leidenschaft - Hass, Eifersucht, Rache, können Derartiges auslösen.
Kurz danach wird eine junge Familie grausam mit einem Hammer erschlagen, dann stürzt ein angesehener Bankier im Rohbau der Freimaurer, dank einer perfiden Falle, in die Tiefe. Nach und nach kommen unsere Ermittler, immer behindert von dem unfähigen Scotland-Yard-Ermittler, den Hintergründen auf die Spur.
Alles hängt mit der Bau der London Bridge und den Freimaurern zusammen - doch werden sie den bevorstehenden Mord an einem vierten Opfer wohl verhindern können?
Oliver Hoffmann schließt seine Trilogie um Professor Moriarty mit vorliegendem Band ab. Und es waren drei tolle, lesenswerte kurze Bücher, die er uns hier als Holmes-Pastiche kredenzt hat.
Geschickt hat er weder den Ermittler noch dessen Nemesis in den Fahrersitz gehievt, sondern mit einer heranwachsenden Diebin eine Erzählerin aus einem ganz anderen sozialen Umfeld berichten lassen. Und Molly, beinahe mit 17 Jahren schon eine Frau, naseweis, neugierig und charmant zugleich, bereichert das Figuren-Ensemble. In ihrer so manches Mal ungestümen, voranpreschenden Art bringt sie nicht nur Tempo, sondern auch Spontanität in die eher gesetzte Entourage des Professors. Dass sie dabei ihr Herz auf dem rechten Fleck hat, dass sie auch durchaus eigenständig zu denken weiß, hebt sie über die reine Chronistin weit hinaus.
Und ja, Moriarty wird ganz anders gezeichnet, als wir dies von der Doyle‘schen Vorlage her kennen. Das ist ein manchmal zu konzentrierter, letztlich aber gütiger Verstandsmensch, der nichts mehr liebt, als Rätsel aufzuklären.
Vorliegender Roman startet nach dem unheimlichen, ja schockierenden Prolog ungewohnt behäbig. Erst nach und nach beginnt sich das Bild eines Serienkillers anhand der zu beklagenden Opfer vor unseren Augen abzuzeichnen. Sehr geschickt hat der Verfasser hier die nach wie vor von Mythen und Geheimnissen umwobene Bruderschaft der Freimaurer mit eingebaut. Diese sorgen für die notwenigen Geheimnisse und wecken unser Interesse. Erst relativ spät kommt es dann zur Konfrontation mit den Tätern, werden Motive und Absichten aufgedeckt.
Ein wenig zurückstecken mussten vorliegend die gesellschaftskritischen Töne, die gerade den Mittelband der Trilogie ausgezeichnet haben. Hoffmann konzentriert sich auf seinen Plot, wartet mit wahrhaft ergreifenden und schockierenden Szenen auf und mutet uns darüberhinaus noch Einiges zu - mehr wird hier nicht verraten. Eine Fortsetzung ist damit ausgeschlossen.
Stilistisch angenehm, liest sich der Roman von seinem langsamen Beginn bis zu seinem dramatischen Finale in einem Rutsch durch, fesselt uns mit den enthaltenen Rätseln und bereichert das Sub-Genre - klare Lese-Empfehlung meinerseits daher.