Angela und Karlheinz Steinmüller: Andymon (Buch)

Angela und Karlheinz Steinmüller
Andymon
Titelbild: Thomas Hofmann
Memoranda, 2018, Paperback, 389 Seiten, 23,90 EUR

Rezension von Ulrich Blode

Der Steinmüller-Kurzgeschichtenband „Warmzeit“ (Band 1 der Werkausgabe) endet mit dem Aufbruch der Sternenschiffe zur Besiedlung extrasolarer Planeten. Diese Archen unterliegen der Beschränkung durch die Lichtgeschwindigkeit und möglicherweise durchkreuzen hunderte ihrer Art die Milchstraße.


Knapp zwei Jahrzehnte bevor eines dieser Schiffe sein Ziel erreicht, wird eine Gruppe von acht Kindern künstlich geboren. Zuerst dürfen sich die Heranwachsenden nur in wenigen Bereichen des Schiffes aufhalten, unter anderem in einer künstlichen Naturlandschaft. Mit zunehmendem Alter erhalten die Menschen Verantwortung über die Schiffssysteme. Nach und nach werden weitere Gruppen in den Inkubatoren gezeugt und auf die Rolle als Siedler vorbereitet. Als Enttäuschung erweist sich indes die unwirtliche Zielwelt, die erst terraformt werden muss.

 

In drei Teilen wird diese Reise der Menschen erzählt. Im ersten Teil, „Das Schiff“, wachsen sie auf dem Raumschiff auf, der zweite Teil handelt von der Terraformung Andymons, den damit verbundenen unterschiedlichen Hoffnungen und Vorstellungen. Letztlich werden die Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen in der Gesellschaft beschrieben.

„Andymon“ zeichnet sich durch einen Sense of Wonder aus, der das Buch zu echter Science Fiction macht. Liest sich der Text anfangs noch wie ein Jugendbuch, ändert sich das nach und nach mit dem Alter der Protagonisten. Dieser Wandel und die Besiedelung des Planeten binden den Leser ein und vermitteln ein glaubwürdiges Bild einer Gesellschaftsform, die mangels Informationen kaum auf irdische Vorbilder zugreifen kann. Und hier kommt die eigentliche Utopie zum Zuge.

Im Grunde weisen auch positive Utopien totalitäre Züge auf, um den idealen Staat zu verwirklichen und zu bewahren. Die Steinmüllers gehen jedoch den Weg einer offenen oder dynamischen Utopie. Ob Bewahrung der Natur, Terraformung und Besiedlung oder technokratisches Geisteskollektiv, allem wird eine Chance gegeben. Der Entwicklung einer Diktatur durch einige Siedler wird ein Riegel vorgeschoben, gefährde sie doch alle anderen Entwürfe. Politisch spannend wird es gerade durch Fragen, die sich mit der Richtigkeit des eigenen Tuns beschäftigen. Hier hätte durchaus die Ambivalenz zwischen Selbstbestimmung und dem Funktionieren des Individuums als Gesellschaftselement stärker hervorgehoben werden können. Ob das jedoch im Veröffentlichungsjahr 1982 der Erstausgabe in der DDR möglich gewesen wäre, ist fraglich.

„Andymon“ ist ein intelligent erzählter Roman mit einer dichten Atmosphäre, der in der Tradition der Science Fiction und Utopie beheimatet ist.