Olivie Blake: The Atlas Paradox - Macht ist grenzenlos (Buch)

Olivie Blake
The Atlas Paradox - Macht ist grenzenlos
(The Atlas Complex, 2023)
Übersetzung: Heide Franck und Alexandra Jordan
Tor, 2024, Hardcover, 672 Seiten, 25,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Wir kennen die Geschichte vom Brand der großen Bibliothek von Alexandrien, bei der unermessliches Wissen der Menschheit für immer ausgelöscht wurde. Doch, was wäre, wenn der Raub der Flammen nur ein geschicktes Ablenkungsmanöver gewesen wäre, wenn die Aufzeichnungen, das Wissen - auch und insbesondere um magische Vorgänge - nach wie vor, wohlverborgen versteht sich, existieren würde?

Die Alexandrinische Gesellschaft - der Name weist den Weg - hat sich, bestens versteckt vor den neugierigen Augen der Öffentlichkeit, mittlerweile in ein Herrenhaus in London zurückgezogen. Hier wird das arkane Wissen aufbewahrt, hier können die Mitglieder auf die Schriftrollen, Tafeln und Bücher zugreifen.

Alle zehn Jahre werden sechs der talentiertesten Magier ihrer Generation auserwählt, um das uralte Wissen zu studieren, sich fortzubilden, neue Wege auszukundschaften und letztlich das Wissen zu mehren.

Atlas Blakely, Verwalter und der Kopf hinter der Society, will unsere Welt zum Multiversum öffnen - selbst auf die drohende Gefahr hin, dass dies die Erde und ihre Bewohner vernichten könnte.

Unsere sechs ehemaligen Rekruten scheinen weiterhin die Einzigen zu sein, die nicht nur die drohende Gefahr erkennen, sondern vielleicht auch etwas dagegen unternehmen könnten. Doch vorher gilt es erst einmal herauszufinden, ob und wer überhaupt gegen den Plan der Öffnung zum Multiversum ist…


Der sehr komplexe Plot, von Handlung möchte ich angesichts der Armut eben dieser über den Großteil des Romans hinweg nicht sprechen, umfasst eine Unzahl von Entwicklungen, Intrigen, Plänen und Verrat. Die Vorkommnisse, die Vorhaben und das Scheitern dieser nehmen den meisten Raum im Buch ein. Das Gebotene erweist sich dabei, ähnlich wie seine beiden Vorgänger, als brutal, dramatisch und enervierend - sowie schlussendlich doch ganz anders, als ich zumindest mir das Finale vorgestellt hatte. Wieder stehen im Zentrum des Geschehens schwierige, traumatisierte und gebrochene Charaktere und selbstherrliche Egozentriker.

Zusammen mit den beiden vorhergehenden Bänden bietet sich die Trilogie als faszinierender, verschachtelter Denkanstoß an. Es geht um Macht, um Wissen, um Einfluss und die Habgier der Menschen, nach immer mehr hiervon. Die Tragödien, die auf dieser Tatsache fußen, sind Legion, die Unfähigkeit, mit dem Erreichten zufrieden zu sein, ist vielleicht gar die Hybris unserer Existenz. Kein Wunder, dass im Verlauf der Äonen unzählige Menschen alles geopfert haben, um ihre Ziele anzustreben, buchstäblich über Leichenberge gingen und letztlich, am Ende ihres Weges doch vor den Trümmern ihrer Wünsche und ihrer Existenz standen. Da mögen die Mächtigen der Welt - wie vorliegend thematisiert - sich die Ressourcen gesichert, die Informationen gekauft haben: Das angestrebte Glück im Sinne von absoluter Herrschaft haben sie nicht erreicht.

Verpackt hat die Autorin ihre Gedanken - keine Message, der Rezipient darf, nein muss selbst mitdenken und sich positionieren - in einen philosophisch angehauchten Überbau, der mir ein wenig zu prätentiös ausgefallen ist.

Insgesamt bleibt der Eindruck, eine Trilogie gelesen zu haben, die mich gefordert hat. Ein Buch mit vielen Längen, uninteressanten, auch weil sich wiederholende Beschreibungen und Thesen, denen man nicht unbedingt zustimmen muss oder mag, die aber zumindest nachdenkenswert sind.