Andreas Brandhorst: Splitter der Zeit (Buch)

Andreas Brandhorst
Splitter der Zeit
Titelbild: Arndt Drechsler-Zakrewski
Tor, 2023, Paperback, 512 Seiten, 18,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Jahrtausende ist es her, da fand die Menschheit auf dem Pluto ein fremdes Artefakt. Als eine Expedition versuchte, das Alien-Relikt zu betreten, wurde ein Signal ausgesandt. Eine Botschaft, die die Honta - libellenähnliche Wesen - erreichte. Seitdem führen die Menschen gezwungenermaßen Krieg gegen die Insektenähnlichen. Ein Krieg, der zur Expansion in die Galaxis zwang, eine Auseinandersetzung, die den technischen Fortschritt beflügelte, ein Konflikt, der immer mehr Menschen das Leben kostet - ein Kampf, der verloren geht.

Cameron ist ein Kind dieses Krieges. Ein Soldat findet den damals achtjährigen Jungen nach einem Angriff der Honta auf dem Schlachtfeld; die verbrannte Hand seiner Mutter fest umklammert, blieb ihm doch von seiner Mom nicht mehr als eben diese Hand.

Inzwischen ist Cameron einer der Admiräle, der die Honta studiert, versucht, ihre Pläne vorherzusagen und die nach wie vor mysteriösen Wesen zu verstehen. Warum nur kämpfen die Aggressoren so unterschiedlich? Mal scheinen sie technologisch weit überlegen, dann wieder sind sie den eingesetzten Waffen den Menschen weit unterlegen.

Eine Mission führt ihn zu einer geheimen, uralten Station der Honta auf einem abgelegenen Planeten. Die Gefangennahme einer Königin und die gemeinsame Havarie am Ende aller Zeit bringt zumindest die Auflösung dieses Rätsels - doch weitere Mysterien warten in einem Universum, das an seinem Ende angekommen zu sein scheint.


Andreas Brandhorst gehört zu den bekanntesten und verlässlichsten Autoren deutscher Zunge auf dem Gebiet der Science Fiction. Seine Future History im Kantaki- und Omniversum angesiedelt, umfasst eine ganze Reihe lose verbundener Romane und hat dem sympathischen Autor viele Fans beschert. In diesem Jahr hat er gleich zwei neue Romane bei unterschiedlichen Verlagen publiziert. Neben „Zeta“ bei Heyne und „Infinitia“ bei Piper, legte der Tor bereits im Herbst 2023 einen Einzelroman vor, der es in sich hat.

Zunächst erwartet uns ein Military-SF-Plot, der sich dann recht schnell aber als weit mehr als eine tumbe Aneinanderreihung von Kampf-Beschreibungen erweist. Brandhorst zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die all ihre Ressourcen, all ihr Streben auf das Überleben im Kampf gegen einen fremden, unbegreiflichen Eroberer konzentriert. Dabei bleibt, das zeigen die Figuren rund um unseren Erzähler, Vieles auf der Strecke. Die Menschlichkeit, das Lachen, das Glück – dies alles kommt zu kurz, selbst die Liebe scheint eine rare Ausnahme im Leben der Menschen zu sein. Dabei gelingt es dem Verfasser, uns die Honta als fremd zu beschreiben, als Wesen, deren Verhalten einem anderen Kontext folgt, die schlicht anders denken und planen als die linear agierenden Menschen. Fragen werden aufgeworfen, Lebensweisheiten hinterfragt - erst als Cameron eine der Honta-Königinnen gefangennimmt und sie beide, zusammen mit einem Denker, einer KI mit Eigenbewusstsein, in der fernen Zukunft stranden, bekommen wir erste nähere Hinweise auf die unbekannten Angreifer.

Das ist geschickt gemacht. Immer wieder präsentiert uns Brandhorst Indizien, Hinweise und Geheimnisse, die unser Interesse wachhalten. Es geht nicht etwa darum, den Soldatinnen und Soldaten bei ihrem aufopfernden Kampf zu folgen, mit ihnen zu triumphieren - weit gefehlt.

Die Sinnlosigkeit des (jedes) Krieges wird unterschwellig immer deutlicher herausgearbeitet, es geht mehr um die Frage, des Warum. Warum greifen die Honta über Jahrtausende die Menschen an, was passierte mit den untergegangenen Zivilisationen, auf deren Relikte man im All gestoßen ist, wird, kann die Menschheit überleben?

Das ist schlicht klasse geschrieben, verwöhnt mit ungewöhnlichen Ideen, ist spannend und ein wenig tiefgründig - so sollte, so muss SF aus Deutschland sein.