Jim Butcher: Friedensgespräche - Die dunklen Fälle des Harry Dresden 16 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 23. Februar 2024 11:57

Jim Butcher
Friedensgespräche
Die dunklen Fälle des Harry Dresden 16
(Peace Talks, 2020)
Übersetzung: Oliver Hoffmann
Blanvalet, 2024, Taschenbuch, 510 Seiten, 12,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Sechs Wochen sind seit den Ereignissen, von denen uns „Blendwerk“ berichtete, vergangen. Harry hat die Schei… wie üblich aber auch so richtig am Absatz. Er sollte sich um seine kleine Tochter kümmern, sein Bruder, der Vampir wird Papa, sein Padawan ist dem Winterhof verpflichtet, er selbst als Ritter des Winters von Mab abhängig. All dies kollidiert mit seiner Position als Mitglied des Weißen Rats. Irgendwie scheint sich alles gegen ihn verschworen zu haben - schon wieder!
Einige im Weißen Rat wollen ihn rausschmeißen, die Vampire und die Schwarzelfen ihm an den Kragen, dazu kommen noch die Fomori - uralte Wesen vom Grunde des Ozeans, Titanen und Fremdwandler, tentakelbestückte Kreaturen, die nicht von der Erde stammen - und die Tatsache, dass sein Bruder einen Mordanschlag auf den Herrscher der Schwarzelfen verübt hat.
Niemand - und ich meine wirklich niemand - legt sich mit den Schwarzelfen an - so dass Harry so ziemlich einsam und alleinsteht, wenn es darum geht, den werdenden Vampir-Papa zu retten.
Als es dann in der neu errichteten Burg von Gentleman Johnny Marcone zu einer Friedenskonferenz kommt, bei der Harry und seine Kollegen eigentlich für besagten Frieden sorgen sollten, kommt es - wir ahnen es natürlich - ganz anders - so wie in feindselig, verführerisch, dramatisch, verrückt, brutal und mörderisch -, wird im Keller des Anwesens doch Harrys Bruder gefangengehalten - und die unangemeldeten Gäste waren doch ein klein wenig störend, so wie in totale Vernichtung Chicagos - Sie sehen das Bild…?#
Zwischen dem vorhergehenden Band und dem nun in deutscher Erstveröffentlichung endlich bei Blanvalet vorgelegtem Titel lagen im Original nicht weniger als sechs Jahre. Ein halbes Dutzend Lenze, in denen die Fans unseres kauzigen Magiers ungeduldig auf Nachschub warteten. Gerüchte über Schreibblockaden oder schlicht verlorene Lust beim Verfasser machten die Runde, Vergleiche mit George R. R. Martin, Patrick Rothfuss und Scott Lynch machten die Runde.
Doch dann veröffentliche Butcher doch noch einen Roman.
Ja, ich weiß, Sie möchten mich jetzt darauf hinweisen, dass mit „Titanenkampf“ nächsten Monat ja noch ein weiterer Roman das Licht der Buchhandlungen erblicken wird, doch ich bleibe bei meiner Aussage. Es ist ein - recht umfangreicher - Roman, der eben seiner Länge wegen vom Autor selbst in zwei Teile gesplittet wurde. Zumindest liest sich vorliegender Plot mehr wie der Auftakt zum großen Finale des übernatürlichen Chicagos, als dass er die Saga um unseren Schutzherrn von Chicago wie üblich fortsetzen würde.
Dies vorher geschickt macht Butcher das zugegeben recht geschickt. Liebgewonnene Figuren treten zuhauf in Erscheinung, es gibt neue, gigantische Bedrohungen und Gegner und, ja unser Harry scheint ein klein wenig klüger und bedächtiger geworden zu sein. Sie bemerkten den Konjunktiv - das „scheint“ weist den Weg, denn als dann wie üblich so alles den Bach runtergeht, macht Harry das, für was er bekannt und berüchtigt ist - er schlägt mit allem zurück, was er hat.
Auf der Strecke blieb vorliegend ein wenig der liebenswerte Filou - unser sympathischer Glücksritter ist, auch dank seiner vielen Feinde und den Fährnissen, die über ihn hinwegstürmten, noch zynischer, ja auch ein wenig brutaler und mitleidloser, als wir ihn aus den früheren Romanen kennen. . Ergo gibt es wieder jede Menge dramatischer Ereignisse und Logiklöcher, so groß wie ein Truck - doch zum einen sind wir dies gewohnt, zum anderen rast der Plot dermaßen voran, dass die Fehler nicht weiter auffallen.
Butcher entwickelt sein Figuren-Ensemble nicht mehr groß weiter. Die Fans kennen die Gestalten, wissen sie zuzuordnen und ahnen, was sie von diesen zu erwarten haben. Wer die vorhergehenden Titel nicht gelesen hat, wird der Handlung daher kaum folgen können – zu viel wird als bekannt vorausgesetzt.
„Friedensgespräche“ wirkt auf uns Anhänger des frechen Schlingels wie die Rückkehr eines lang vermissten Freundes. Es ist ein Wiedersehen, das zwischen den Zeilen bereits den endgültigen Abschied vorbereitet und erahnen lässt.
Harry ist erwachsen geworden, man könnte nicht ganz unzutreffend sagen, hat seine liebevolle Naivität und Unschuld verloren. Er gehört zum Establishment und hat etwas, das er nie wollte: Verantwortung. Das hindert ihn aber nicht daran, noch einmal alles in die Waagschale zu werfen, den Gegnern Feuer unter Hintern zu machen und einmal mehr, einen verlorenen Kampf aufzunehmen - Fortsetzung folgt im März.