Romedio Schmitz-Esser: Um 1500 - Europa zur Zeit Albrecht Dürers (Buch)

Romedio Schmitz-Esser
Um 1500 - Europa zur Zeit Albrecht Dürers
wbg, 2023, Hardcover, 504 Seiten, 44,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Der 1978 geborene Romedio Schmitz-Esser arbeitet seit 2020 als Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Uni Heidelberg, war vorher Direktor des Deutschen Studienzentrums in Venedig und Professor in Graz. Zusammen mit seinen Studenten kam er nun auf die Idee, die Kulturgeschichte Deutschland im ausgehenden Mittelalter aus einer ganz anderen Sicht zu beschreiben und auch für den Laien verständlich zu machen. Das Ergebnis ist nun in „Um 1500 - Europa zur Zeit Albrecht Dürers“ nachulesen.

 

Jeder hat schon einmal mindestens ein Bild von Albrecht Dürer gesehen, seien es nun die „betenden Hände“ oder eben die naturgetreue Zeichnung eines Hasen. Aber er hat wie kein anderer die deutsche Kunst geprägt und Maßstäbe gesetzt. Geboren 1471 und gestorben 1528, lebte er in einer Zeit des Umbruchs und Wandels. Entdeckungsreisen nach Amerika und Asien auf dem Seeweg, die Renaissance in Italien und nicht zuletzt auch die Reformation sollten auch in seinem Leben Spuren hinterlassen.

Geboren in einer Handwerkerfamilie, die sich schon als Goldschmiede etabliert hatte, erkannte er aber auch seine wahren Talente und wurde zu einem Künstler, der selbst an den Höfen der Kurfürsten und nicht zuletzt des Kaisers porträtieren durfte. Zudem blieb er nicht nur zu Hause in Nürnberg, sondern reiste auch intensiv, vor allem in die Niederlande und nach Venedig.

Und nicht zuletzt war er auch Familienvater, durchlebte zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern auch die Höhen und Tiefen des Alltags, wurde mit Krankheit, Tod und Verlust, aber auch den freudigen Momenten konfrontiert.


Gerade weil Albrecht Dürer so viele Zeichnungen und nicht nur Gemälde hinterlassen hat, weil er mit wachem Geist Bildung erlangte und die Zeichen seiner Zeit auch in Briefen und Notizen genaustens festzuhalten wusste, ist sein Leben der passende Zeitstrahl, um den langsamen und schleichenden Untergang einer Epoche und den Aufstieg einer neuen zu betrachten.

Auch wenn Deutschland durch seine Lage etwas länger brauchte, um die Veränderungen zuzulassen, was die Entdeckungen und Erweiterung des Weltbildes anging bezüglich den Entwicklungen in Kunst, Technik und Wissenschaft, so wurde das Land doch auch zum Motor bei religiösen Entwicklungen. Denn fernab von Rom konnten Reformatoren wie Luther überleben und ihre Ideen auch den Mächtigen vermitteln.

In kurzen Kapiteln, die durch einen losen Faden miteinander verbunden sind, geht der Autor ansprechend auf die verschiedenen Aspekte des Lebens in dieser Zeit ein. Er macht deutlich, dass gerade Frauen in Dürers Kreisen nicht nur auf den Haushalt und die Kindererziehung beschränkt waren, sondern auch aktiv mitarbeiteten und sogar reisten, wie seine Frau. Er beschreibt das soziokulturelle Geflecht aus Alltag, Glauben und Gesellschaft, das die Menschen zusammenhielt und beschreibt die Zeit aus dieser Perspektive. Die politischen Entwicklungen, die Machtkämpfe der Adligen werden nur am Rande erwähnt, nämlich immer dann, wenn sie das Leben von Dürer und dessen Umfeld berühren und entsprechend Einfluss nehmen.

Leser werden feststellen, dass Vieles ihnen nicht einmal so fremd ist, besser verstehen können, wie Gottesglauben und Frömmigkeit in dieser Zeit zu sehen ist und nicht zuletzt auch spüren, dass die Menschen dieser Zeit auch eine Art „Kalten Krieg“ durchlebten, wenn man bedenkt, dass das Osmanische Reich damals deutliche Bestrebungen zeigte, sich über den Balkan aus Richtung Mitteleuropa auszubreiten.

So wird ein lebendiges und buntes Panorama geschaffen, das man auch durch die Bilder des Künstlers immer wieder nachvollziehen kann. Er und seine Familie mögen zwar herausragend gewesen sein, dennoch erlebten sie Vieles wie andere Menschen auch - gerade im privaten und menschlichen Bereich.

Und das bringt den Zeitraum den Lesern näher, als es jemals eine distanzierte und erklärende Erzählweise bringen könnte. Gerade weil sie hilft, diese Zeit aus der Sicht relativ normaler Menschen fernab der Helden und Schurken dieser Epoche kennenzulernen.

„Um 1500 - Europa zur Zeit Albrecht Dürers“ wendet sich an alle geschichtsinteressierten Leser, die mehr über die Epoche wissen wollen, die auch Deutschland einem deutlichen Wandel unterzog. Fundiert und populärwissenschaftlich gehalten, bringt der Autor Laien das Leben der normalen Menschen näher, die den Wandel zwischen Mittelalter und Neuzeit hautnah miterlebten.