Petr Manteuffel: Der Mann, der die Frauen-Europameisterschaft gewann (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 28. September 2023 09:50

Petr Manteuffel
Der Mann, der die Frauen-Europameisterschaft gewann
KLAK, 2023, Taschenbuch, 166 Seiten, 19,90 EUR
Rezension von Christel Scheja
Petr Manteuffel wurde in Prag geboren und studierte Medizin, aber auch Theaterregie. Der Sohn eines Historikers arbeitete tatsächlich lange als Arzt, wurde dann aber auch Autor von Essays und Theaterstücken neben zahlreichen Regiearbeiten, Heute lebt er in Berlin und Prag. In „Der Mann, der die Frauen-Europameisterschaft“ gewann, wirft er einen höchst eigenwilligen Blick auf das reale Grauen des Dritten Reiches.
Trude Steckel, die amtierende Europameisterin im Hochsprung, wird überraschend im September 1938 im Zug nach Hannover verhaftet. Mitreisende haben sie angezeigt, weil sie der Ansicht sind, sie sei ein Mann in Frauenkleidern. Und damit beginnt das Martyrium für jemanden, der beides ist und dem nun auch seine prominente Position nichts nutzt.
Trude bleibt nicht die Einzige, die so Einiges in diesem totalitären System erdulden muss, in dem narzisstische Befehlshaber wie Richard Heydrich und sadistische Ärzte ihre Gelüste ausleben können.
Wer erwartet, dass die Leidensgeschichte der Hochspringerin erzählt wird, wird überrascht, denn der Autor hält sich nicht nur bei Trude auf, die durch einen dummen Zufall in die Mühlen des Regimes gerät und so Einiges durchmachen muss, vor allem, da sie nach damaliger Auffassung als Mann gilt und sich auch so zu verhalten hat.
In schlaglichtartigen Szenen wird erzählt, wie herablassend sie und andere von den Menschen behandelt werden, die die Macht haben und dem rassistischen und chauvinistischen Weltbild der Nazis folgen. Das eine oder andere findet sogar einen Bezug zur Gegenwart, wenngleich man auch genauer hinschauen und lesen muss. Der Autor springt zudem von einem Arzt zum anderen, zeigt die perverse Lust von Männern wie Gebhart, die in KZ wie Ravensbrück grausamen Menschenversuchen nachgehen oder Hitlers Leibarzt, der den Morphinschrank plündert.
Man kommt schon manchmal ins Schlucken bei der Menschenverachtung, die sich durch manche Szenen zieht, aber auch bei den Spuren, die sich bin in die moderne Zeit ziehen, da es einige wie der Künstler Arno Behrend geschafft haben, nicht nur den Nazi-Größen zu gefallen, sondern auch später noch in der BRD wichtige Arbeiten präsentieren durften.
Alles in allem entpuppt sich der Roman als Buch, das man nicht so einfach herunterlesen kann, sondern bei dem man immer wieder pausieren muss. Der Autor macht es dem Leser auch nicht leicht, seinen Sprüngen zu folgen. Und gelegentlich bleiben die Aussagen etwas zu kryptisch. Aber man kann auch schlimme Parallelen zur Gegenwart ziehen, wenn man nur genau hinschaut.
So gesehen ist „Der Mann, der die Frauen-Europameisterschaft gewann“ keine Geschichte für die breite Masse, sondern eine halbdokumentarische Sammlung von Momenten, die den Wahnwitz und die Grausamkeit des Dritten Reichs widerspiegeln. Interessant sind dabei vor allem die eher unbekannten Szenen und Figuren, die sonst immer untergehen. Und die feinen Bezüge zu Auswüchsen der Gegenwart.