Fritz Leiber: Die Frau, die immer verschwand (Buch)

Fritz Leiber
Die Frau, die immer verschwand
Übersetzung: Susanne Picard
Nachwort: Andreas Fliedner,
Festa, 2023, Hardcover, 524 Seiten, 36,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Fritz Leiber gehört zu den ganz Großen der unheimlichen Phantastik. Als junger Zeitgenosse solcher Größen wie Edgar Rice Burroughs, Robert E. Howard oder H. P. Lovecraft publizierte er seine Texte in den entsprechenden Periodika und erarbeitete sich mit seinen Geschichte einen exzellenten, ja legendären Ruf.

Bei uns vornehmlich durch seine Fantasy-Geschichten um Fafhrd und den grauen Mausling (dt. bei Heyne und der Edition Phantasia - bei letzterer ungekürzt - erschienen) sowie seinem legendären Roman „Herrin der Dunkelheit“ (1980 bei Heyne erschienen - seitdem leider nie neu aufgelegt) bekannt, erschienen seine übernatürlichen Geschichten zumeist verstreut in den Anthologien unterschiedlichster Verlage.

Diesem Missstand hilft Herausgeber Andreas Fliedner bei Festa nun glücklicherweise ab. Eine dicke Originalzusammenstellung ist es geworden, die uns vorliegend erwartet - ergänzt durch ein sehr informatives Nachwort des Herausgebers zur Person und Werk des Verfassers.

Und die Geschichten, die Fliedner vorliegend ausgewählt hat vermögen es scheinbar auch nach Jahrzehnten noch mühelos, uns in ihren Bann zu ziehen. Ja, die jeweils beschriebene Welt ist altmodisch - nur ist dies nicht wirklich wichtig!

Viel interessanter ist es, wenn das Übernatürliche, das Unbegreifliche, ja auch das Dunkle in diese Alltagswelt einbricht und das Leben des Erzählers abrupt auf den Kopf stellt. Dabei erwarten uns fast schon visionäre Bilder eines zukünftigen New Yorks, das von einem Schaum heimgesucht wird. Die Beschreibung der Bewohner wirkt derart wirklichkeitsnah, dass man meinen könnte, Leiber hätte einen Blick in die moderne Zeit erhascht. All seinen Erzählungen gemeinsam ist, dass Leiber immer ein wenig außerhalb des Gewohnten schreibt. Seine Werwölfe sind anders, mehr Bestie als Beau, Geister und Models agieren anders, als wir Leser dies zunächst vermuten; viel wird gezeigt, kaum etwas erklärt - genau das, was die besten der übernatürlichen Erzählungen auszeichnet. Nichts, absolut gar nichts ist schlimmer, furchteinflößender und aufwühlender, als unsere eigene Phantasie, die von Andeutungen genährt zuschlägt. Und Leiber spielt auf dieser Klaviatur geradezu virtuos; präsentiert uns auf den ersten Blick bekannt scheinende Versatzstücke oder Bühnen, nur um dann von dem Erwartenden abzuweichen und uns zu packen. Für mich eines der Buch-Highlights des Jahres!

Das wirklich einzig Negative, was man über dieses Buch sagen kann, ist, dass dieses vorzüglich editierte, handwerklich mustergültig gefertigte Buch aufgrund seiner fehlenden ISBN wohl nicht für kommende Generationen in die deutsche Bibliothek aufgenommen wird. Ein großer Fehler, denn sowohl der Autor wie auch diese sorgfältig zusammengestellte Edition hätten es hoch verdient.