Maddrax 608: Spiel um Öl, Christian Schwarz (Buch)

Maddrax 608
Spiel um Öl
Christian Schwarz
Titelbild: Néstor Taylor
Bastei, 2023, Romanheft, 68 Seiten, 2,40 EUR

Rezension von Matthias Hesse

Sport in der Phantastik: Das erste, was vermutlich jedem dazu einfällt, ist das legendäre Quidditch. Doch was die Plätze zwei und drei angeht, herrscht Leere auf dem Siegertreppchen. Da gibt es zwar gelegentlich Gladiatoren-Kämpfe wie beispielsweise in „Hunger Games“, und immer mal wieder einen weisen Meister, der die hitzköpfige Heldin in den Kampfkünsten unterweist. Doch Sport, wie wir ihn von den Bundesjugendspielen oder dem Turnverein um die Ecke kennen, ist in der Phantastischen Literatur eher unterrepräsentiert. Die Romanheftserie „Maddrax“ spielt aktuell im postapokalyptischen Südamerika. Da wäre es eine vertane Chance, den dort so populären Fußball zu ignorieren. Christian Schwarz, selbst Trainer einer C-Jugend, hat seine Phantasie spielen lassen. 

 

Matthew Drax ist immer noch als einsamer Titelheld mit dem Amphibienpanzer im postapokalyptischen Ecuador unterwegs. Sein Ziel im Norden ist Bogotá, dort erhofft er sich Vorräte von Fungiziden zu finden, die auch 500 Jahre nach dem Kometen-Einschlag noch einsatzbereit sind. Mit deren Hilfe muss er den natürlichen Feind einer mutierten Ameisen-Schwarmintelligenz bekämpfen, um im Gegenzug Hilfe bei der Suche nach seiner Gefährtin Aruula zu bekommen.


So weit, so abgedreht, so „Maddrax“. Aber das ist nur der äußere Handlungsrahmen für „Spiel um Öl“, das ein ganz anderes Thema hat, nämlich ein Fußballmatch, das zwischen zwei rivalisierenden Erdöl-Clans um Handelskapazitäten ausgetragen wird. Durch Zufall gerät der Mann aus der Vergangenheit ins Geschehen und erweist sich als nicht untalentiert. Zumindest wenn man bedenkt, dass das Niveau des Weltfussballs in der dunklen Zukunft etwas gelitten haben dürfte, wurde Mathew Drax doch seinerzeit bestenfalls Oberliga-Qualitäten attestiert. Sein Gegenspieler wird im Verlauf des Romans der Superstar Loonel Mazzi sein, und man ist sich einig, dass Drax kaum schlechter spiele. Und so wird er, als einäugiger König unter Blinden, vom Fleck weg für die „Fiffani“ rekrutiert.

Überhaupt das Personal: Kristaano Raldo, Neemar, Schanni Fant’illo - nicht nur für hartgesottene Fußballfans gibt es eine Menge satirisch Überspitztes im Krieg der „Kattaani“ gegen die „Fiffani“ zu entdecken. Für Leserinnen und Leser, die tiefer in der Materie stecken, ist da sicher noch so manche Andeutung mehr rauszuholen.

Das ist eine große Qualität der Episode. Eine andere ist die Entwicklung, die die Handlung nimmt: Der Zufall hat Drax nämlich nicht auf die Seite derer gestellt, denen Fair Play allzu viel bedeutet. Und somit werden die Regeln des Kampfes zu einem Spiel auf Leben und Tod pervertiert: Das Spielfeld erstreckt sich über ganze zwei Viertel der Ruinenstadt, Nahkampf und später sogar Schusswaffengebrauch sind zugelassen. Statt Linienrichtern bewachen Scharfschützen die Einhaltung der Regeln. Die Spieler sitzen in einer tödlichen Falle, und Drax muss den Sieg seines Teams verhindern, ohne sich selbst und andere zu gefährden.

Christian Schwarz gelingt es, eine überzeugende Atmosphäre zwischen Richard Bachmann und „Fortnite“, zwischen Häuserkampf und „Das Millionenspiel“ zu kreieren, da verzeiht man als Leser gern, dass das gesamte Setting ein wenig mit der Brechstange herbeigeführt wirkt: Die Spannung stimmt, und die Zahl der Todesopfer steigt in einem gnadenlosen, zynischen Match.

Der Rezensent, das sei am Rande bemerkt, ist als MSV-Fan so manchen Kummer gewöhnt. So ist es ihm nur allzu vertraut, wie Band 608 das Ende grandios versemmelt. In der 89. Minute die Führung durch Eigentor abgegeben und in der Nachspielzeit noch einen Elfer kassiert - das wäre die passende Analogie zu den letzten zwanzig Seiten, in denen das Match erst in aller Ausführlichkeit und gelungen beschrieben wird, dann aber, je dramatischer der Spielverlauf wird, zunehmend rudimentär gerät, bis sich das Ding in den finalen Zeilen beinahe wie ein Exposé liest. Das schmälert das Lesevergnügen trotz der originellen Prämisse. Immerhin: Mit Tschoosch Klaansmann hat ein neuer Sidekick die Bühne betreten. Der Titelheld muss das kommende Abenteuer also nicht alleine bestreiten, und Klaansmanns rocklastig befüllten mp3-Player mitgezählt, brechen gleich drei Relikte aus grauer Vorzeit zu den Klängen von „Wind Of Change“ in neue Abenteuer auf.