Allein in der Fremde (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 15. Februar 2023 12:19
Yrgane Ramon. JP Kalonji, Fabian Menor
Allein in der Fremde
Helvetiq, Hardcover, 2023, 88 Seiten, 19,90 EUR
Rezension von Christel Scheja
Auslöser für die Comic-Anthologie „Allein in der Fremde“ war der Selbstmord eines jungen Flüchtlings vor einer der Flüchtlingsunterkünfte in der Schweiz, in Genf. Das löste nicht nur heftige Debatten in der Öffentlichkeit aus, sondern inspirierte auch junge Künstler zu den Geschichten, die sie nach den wahren Erlebnissen anderer junger Migranten gestalteten.
Kocholo ist ein junger Afghane, der eine Weile bei seiner Tante im Iran leben konnte, als diese aber starb, das Land verlassen musste. Nach einer gefahrvollen Reise strandet er in einem für ihn fremden Land und erlebt dort Himmel und Hölle. Denn auch wenn es Menschen gibt, die ihm helfen, so gibt es doch auch üble Rückschläge.
Ähnliche Erfahrungen mache auch der aus Zentralafrika stammende Sebemalet, der sich auf eine Reise durch die Wüste einlässt und mehrfach alles verliert, bis auch er in der Schweiz ankommt und dort erkennen muss, dass er hier genau so weiter kämpfen muss.
Und nicht anders ergeht es auch Ehsan, der ebenfalls aus Afghanistan stammt.
Alle drei Schicksale sind mit dem Selbstmord des jungen Ali verbunden, den die drei jungen Männer kannten. Die Geschichten werden nüchtern, aber in farblich und künstlerisch eindringlichen Bildern erzählt. Sie heben hervor, wie unterschiedlich die Gründe sind, warum die Jungen, die alle bei ihrer Flucht noch nicht volljährig sind, überhaupt in die Schweiz kommen. Sie sind die Hoffnung für ihre Familien, die zurückbleiben, auch wenn sie zu einer verfolgten Volksgruppe in ihrem Land gehören, haben aber wie Ehsan auch mit ihnen gebrochen. Alle sind getrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben in der Fremde, deshalb nehmen sie den entbehrungsreichen und auch gefährlichen Weg auf sich, der nicht selten von Traumata begleitet ist.
Allerdings macht man es ihnen leider auch an ihrem Ziel nicht gerade leicht, und das liegt nicht nur an der Bürokratie; vor allem in den Flüchtlingsunterkünften regiert nicht nur die Gewalt, die Traumata werden immer wieder neu getriggert. Und nicht allen gelingt es Fuß zu fassen, auch wenn man ihnen hilft – was aber teilweise nicht einmal an ihnen selbst liegt.
Vielleicht hilft der Band dabei, die jungen Männer, die teilweise noch halbe Kinder sind, besser zu verstehen oder zumindest mit anderen Augen zu sehen. Sicher lassen sich die Aussagen nicht verallgemeinern, aber sie treffen vermutlich auf den Großteil derer zu, die teilweise über Jahre einfach nur festhängen und gar kein neues Leben beginnen können, weil man sie nicht lässt.
Das alles ist jedenfalls eindringlich und gefühlvoll geschildert und wirkt noch eine ganze Weile intensiv nach. Interessant ist der Band nicht nur für Jugendliche, auch Erwachsene werden sich davon angesprochen fühlen, wenn sie bereit sind, sich auf das Thema einzulassen.
„Allein in der Fremde“ erzählt die wahren Geschichten dreier junger Migranten und versucht Verständnis für die jungen Menschen zu wecken, die mit ernsten Gründen nach Europa liehen und nach all dem, was sie erlebt haben, wirklich eine Chance verdienen. Und die nicht nur mit denen über einen Kamm geschoren werden dürfen, die unangenehm auffallen, da auch sie unter deren Gewalt und durch diese geschürten Vorurteile leiden.