Finsternis 1: Ioen (Comic)

Finsternis 1
Ioen
(Ténèbres: Ioen)
Text: Christophe Bec
Zeichnungen: Iko
Farben: Digikore Studios
Übersetzung: Tanja Krämling
Lettering: Dominik Madecki
Splitter, 2010, Hardcover, 48 Seiten, 13,80 EUR, ISBN 978-3-86869-200-6

Von Frank Drehmel

Vor über hundert Jahren hat sich das blühende Land unter dem Ansturm der Drachen in einen Ort der Finsternis und des Feuers verwandelt. Zwar existieren noch Siedlungen, die nicht unter Asche und Lava begraben sind, aber der Verlust eines Dorfes nach dem anderen macht die Menschen mürbe.

Als selbst die Armee, die König Kirgräd aus seiner düsteren Hauptstadt den Angreifern in einem Akt letzten Aufbäumens entgegensendet, vernichtend geschlagen wird, bleibt dem Herrscher und seinem Volk nicht anderes, als auf eine alte Prophezeiung zu hoffen, nach der alle hundert Jahre ein Held kommen wird, um in einer Rüstung aus Eis den Drachen Einhalt zu gebieten. Nachdem der erste dieser Krieger vor fast einem Jahrhundert aus seinem Kampf nicht mehr zurückkehrte, könnte nun die Wiederkehr des nächsten Recken kurz bevorstehen.

Möglicherweise ist der Knabe Ioen diese Person: aufgewachsen in einem kleinen, von den Drachen verschonten Dorf, vermochte er als kleines Kind im wahrsten Sinne des Wortes durch das Feuer zu gehen und hat sich zwischenzeitlich zu einem Jäger entwickelt, dessen Fähigkeiten mit der Speerschleuder die der größten lebenden Krieger in jeder Hinsicht weit in den Schatten stellen. Ein Turnier in der Stadt König Kirgräds scheint dem Vater Ioens der rechte Zeitpunkt, die Fähigkeiten seines Sohnes dem gemeinen Volke bekannt zu machen. Während der Junge den Wettstreit überlegen gewinnt, tritt im Palast ein Mann vor den Thorn des sorgenvollen Herrschers, der sich selbst als der Jäger bezeichnet, der die Kreaturen zum Preis von drei Gefangenen und der Hand der Königstochter vernichten wird.

Aktuell erscheinen bei Splitter von Christophe Bec neben „Finsternis“ die Alben-Reihen „Carthago“, „Heiligtum“, „Bunker“ und „Prometheus“, die zwar insgesamt sehr unterschiedliche Genres – vom Mystery-Horror („Heiligtum“) über ungewöhnlich erzählte Science Fiction („Prometheus“) bis hin zum Öko-Thriller („Carthago“) – bedienen, denen aber allesamt ein unheimliches Moment innewohnt. So überrascht es nicht, dass auch der erste Band der vorliegenden klassisch-heroischen Fantasy-Story durchaus mit dramaturgischen Elementen aufwartet, die im weiteren Sinne dem Unheimlichen zuzuordnen sind. Insbesondere die Tatsache, dass zunächst die Feinde der Menschen selbst und später deren Motive im Dunkeln bleiben, trägt zu einer düsteren Spannung bei. Allerdings war es das dann spannungsmäßig auch schon: der Rest ist ein unorigineller, vorhersehbarer Erlöser-Story-Prophezeiung-Brei von der Stange, getragen von mainstreamhaften, aalglatten, eindimensionalen Charakteren, die einem – um es norddeutsch vornehm auszudrücken – durchweg schietegal sind beziehungsweise am Mors vorbeigehen.

Die Belanglosigkeit der Handlung spiegelt sich letztlich auch im Artwork wieder. Rein zeichentechnisch zwar fast perfekt, fehlt es ihm unterm Strich an Seele, an visueller Eigenständigkeit, wobei das Bemerkenswerte ist, dass Ikos Arbeit in künstlerischer Hinsicht kaum einen signifikanten franko-belgischen Duktus aufweist, sondern man es auf den ersten Blick und ohne zu zögern dem amerikanischer Comic-Mainstream nach „Witchblade“- beziehungsweise „Darkness“-Art – oder einer der zahllosen Eintagsfliegen-Klon-Serien – zuordnete. Nichtsdestotrotz sind die Bilder für sich betrachtet in ihrer düsteren Pracht, mit ihren detailliert und realistisch ausgearbeiteten Bildelementen sowie einer Koloration, die gekonnt mit Licht und Schatten spielt, visuell durchaus anregend, allerdings ohne nachhaltigen Eindruck und eben ohne echte künstlerische Handschrift.

Fazit: Die schwache, unoriginelle 08/15-Erlöser-Story wird durch das visuell eher einer amerikanischen Zeichenschule denn einer europäischen zuzurechnende Artwork gerade noch aufgefangen, auch wenn der Eindruck, dass die inhaltliche Leere durch pompöse Bilder kaschiert werden soll, einen schalen Beigeschmack hinterlässt.