Britta Habekost: Melodie des Bösen (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 06. Januar 2023 10:53

Britta Habekost
Melodie des Bösen
Kommissar Julien Vioric ermittelt 2
Penguin, 2022, Hardcover, 464 Seiten, 22,00 EUR
Rezension von Christel Scheja
Mit „Stadt der Mörder“ startete Britta Habekost ihre Reihe mit historischen Kriminalromanen aus dem Paris der zwanziger Jahre, „Kommissar Julien Vioric ermittelt“. Nun setzt sie die Reihe mit einer weiteren Geschichte fort, die einige Monate später im Jahr 1925 spielt und andere Facetten der Pariser Kunstwelt aufgreift, nämlich die der Musik. Das geschieht mit der „Melodie des Bösen“, wobei der Roman zwar gelegentlich Bezug auf den Vorgänger nimmt, aber doch auch ohne Vorkenntnisse gelesen werden kann.
Es ist eine Zeit des Umbruchs, nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Musik, denn eine neue Musikrichtung ist rund um den Montmatre zu hören. Jazz begeistert die Menschen, die auf der Suche nach etwas Neuem sind. Dann aber wird ein Herz auf dem Grab von Frederic Chopin gefunden. Doch wo ist die Leiche, die dazu gehört? Julien Vioric, der immer noch ermittelt, aber weitaus nachdenklicher als früher ist, fühlt sich an einen seiner ersten und noch immer ungelösten Fälle aus dem Jahr 1913 erinnert und fragt sich, ob beides nicht zusammenhängt. Er gräbt tiefer und gerät dabei mitten zwischen junge Exilanten und die rechtsmilitante Action francoise, die immer wieder gewaltsame Überfälle auf farbige Mitbürger organisiert. Zudem gibt es ein Wiedersehen mit jemandem, den er eigentlich verloren glaubte.
Tatsächlich kehren auch noch andere Figuren aus dem ersten Band zurück. Daher ist es schon ganz gut, diesen zu kennen, wenn man mehr über die persönlichen Verbindungen erfahren will - für den eigentlichen Fall spielt das eigentlich keine Rolle.
Und der hat es in sich, denn die Autorin taucht nicht nur wieder in die Welt der Kunst ein, sondern thematisiert auch die entsprechenden gesellschaftlichen Entwicklungen im Frankreich dieser Zeit. Denn genau so, wie progressive Kräfte langsam Fuß fassen, kritische Zeitschriften, die Skandale aufdecken, an Boden gewinnen, zeigen sich auch rechtsradikale Strömungen, die es vor allem auf die Einwanderer aus den afrikanischen Kolonien und Mischlinge abgesehen zu haben scheinen. Auch ist der Rassismus überall spürbar und wird offen ausgetragen, wenn auch nicht so extrem wie in den USA.
Die Figuren entwickeln sich ebenfalls weiter. Gerade bei Julien haben die Ereignisse in „Stadt der Mörder“ ihre Spuren hinterlassen, er ist menschlicher und vor allem aufmerksamer wie nachdenklicher geworden, folgt nicht mehr nur stumpf irgendwelchen Befehlen. Persönlich vermisst er Lisanne, die er seit ihrer Zusammenarbeit im letzten Fall nicht vergessen kann. Das unverhoffte Wiedersehen bringt auch seine Persönlichkeit voran, auch wenn die Liebesgeschichte eher im Hintergrund bleibt. Das ist auch bei Lisanne der Fall, die nun versucht, ein selbstbestimmtes Leben als Journalistin zu führen.
Der Fall gerät durch das alles ein wenig ins Hintertreffen, wird aber dennoch nicht vergessen, denn die Andeutungen und Hinweise werden am Ende sauber zusammengeführt und aufgelöst. Das Buch endet in sich geschlossen, ignoriert man einfach einmal die letzten Zeilen der Geschichte, die auf eine spannende Fortsetzung hindeuten.
Auch „Melodie des Bösen“ ist wieder ein unterhaltsamer und vielschichtiger Kriminalroman, der vor allem die Gesellschaft in dieser Zeit in den Mittelpunkt stellt, die vielen aufwühlenden Entwicklungen, die die Stadt noch mehr in die Moderne führen und in den 1920ern regelrecht prägen, so sehr reaktionäre Kräfte auch dagegen wirken. Wieder einmal hat auch der eigentliche Fall mit der Künstlerwelt zu tun, wenn auch auf andere Weise als zunächst gedacht.