Christian Handel: Schattengold (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 21. Dezember 2022 11:27
Christian Handel
Schattengold
Piper, 2022, Hardcover, 400 Seiten, 20,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Farah, die Müllerstochter, lebt am Rand des Firnwalds. Die Königin, die nach dem Tod des allseits geachteten Monarchen die Herrschaft übernommen hat, hat all ihren Untertanen streng verboten den verwunschenen Wald, Tor zum Reich der Feen, zu betreten. Da Farahs Mutter hier an einem Weiher begraben liegt, hält sie sich nicht an das Verbot. Mehr noch, sie nimmt das am Grab gefundene Gold mit heim - man weiß ja nie, wann die Königin die Abgaben und Steuern wieder erhöhen wird.
Dass ihr Vater das wenige Geld versäuft, das eigentlich für die Lehre ihres jüngeren Bruders vorgesehen war, führt dazu, dass sie die Schulden mit dem gefundenen Gold bezahlt. Am nächsten Morgen steht die Wirtin bei ihr auf der Matte: Die Goldmünze hat sich über Nacht in ein Laubblatt verwandelt.
Als die Königin von dem Vorfall hört, zitiert sie Farah zu sich. Auch wenn ihr der Kronprinz gewogen ist, kann sie den Vorfall nicht zugeben, droht ihr sonst doch der Kerker. So behauptet sie, Stroh zu Gold spinnen zu können. Die Monarchin fordert sie auf, die Behauptung zu beweisen - und Farah macht einen großen Fehler. Sie geht einen Pakt mit den Feen ein: Stroh zu Gold für echtes Silber, für das Licht ihres Lebens, für persönliche, sorgsam gehütete und geschätze Erinnerungen...
Seit einiger Zeit sind moderne Versionen der klassischen Märchen en vogue. Seit Christina Henry mit ihren modernen Nacherzählungen klassischer Stoffe auch bei uns für Furore an den Kassen der Buchhandlungen sorgt, suchen die Verlage händeringend nach Nachschub.
Das Bild erinnert mich frappierend an die Situation vor gut zwanzig Jahren, als Stan Nicholls bei Heyne mit seinen Orks einen Sensationserfolg landen konnte. Alle einschlägigen Verlage suchten entsprechenden Nachschub - nachdem der angloamerikanische Markt nicht viel hergab, war das die Chance für deutschsprachige Autoren. In der Folge verwöhnten uns Markus Heitz mit Zwergen, Bernhard Hennen mit Elfen, Hardebusch mit Trollen - die Reihe ließe sich problemlos fortsetzen.
Nun also Märchen - auch hier suchen und finden die Verlag entsprechende Werke aus heimischer Fertigung.
Wir alle kennen das Märchen von Rumpelstilzchen. Christian Handel setzt seine dann doch recht abweichende Handlung auf der Vorlage auf, ändert aber doch so Einiges. Das Ergebnis kann sich sehen, respektive lesen lassen.
Da haben wir eine Monarchin, die nicht ganz so despotisch ausgeführt ist, wie erwartet. Oder gleichgeschlechtliche Beziehungen, die in der mittelalterlichen Welt als normal akzeptiert sind. Es geht natürlich um Opfer, die unsere Protagonistin zum Wohl ihrer Familie bringt, um Entscheidungen - die meisten nicht unbedingt glücklich gewählt -, die dann eine Eigendynamik entwickeln, aus der unsere Erzählerin kaum mehr herauskommt. Das ist zum Großteil recht weit vom Vorbild entfernt, greift lediglich die Grundzüge des Märchens auf und schafft dann daraus etwas Neues.
Das Gebotene liest sich dabei durchaus flüssig und packend, zeigt uns die Feen als anders denkende, einem anderen Wertesystem verpflichtete Wesen, die eben einmal keine menschlichen Abziehbilder sind. Sie ähneln eher den irischen Sidhe als den Elfen.
So ist dies ein Roman, der eine eigenständige Geschichte erzählt, der deshalb interessant und überraschend ist und sich zudem gut liest.