Elizabeth Engstrom: Wenn die Dunkelheit uns liebt (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 21. August 2022 13:58
Elizabeth Engstrom
Wenn die Dunkelheit uns liebt
(When Darkness Loves Us, 1985)
Übersetzung: Patrick Baumann
Titelbild: Jill Bauman
Festa, 2022, Hardcover, 316 Seiten, 34,99 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Was ist dies für ein Buch, das uns Frank Festa in seinem Verlag diesmal offeriert? Ein Band, in dem zwei Novellen vereint wurden, ein Buch, das von niemandem Geringeren als dem großen Theodore Sturgeon empfohlen wird? Nun, ich machte mich mit großer Neugierde an die Lektüre. Und zwei ganz unterschiedliche Texte erwarten den Leser. Beide Novellen stellen Frauen ins Zentrum eines dramatischen Geschehens.
In „Wenn die Dunkelheit uns liebt“ gerät die schwangere Sally Ann kurz vor ihrer Hochzeit in ein Höhlensystem und wird hier eingeschlossen. Ihr Bräutigam, ihre Familie und Freunde machen sich natürlich auf die Suche nach der Verschollenen, aber Sally Ann hat sich so weit vom Eingang entfernt, dass die Suche letztlich erfolglos abgebrochen wird.
Im Tunnelsystem stößt sie nicht nur auf Schnecken und Seen, die ihr Überleben sicherstellen, sie erhält auch Beistand. Ihr im Krieg gefallener erster Verlobter kommt ihr zu Hilfe, sie bringt ihr Baby zur Welt und richtet sich ihr Leben ein.
Zwanzig Jahre ist sie in der ewigen Dunkelheit eingeschlossen - bis sie den Weg zurück ins Licht findet und dem Vater ihres Sohnes seinen Abkömmling zeigen will…
In „Schönheit ist…“ begegnet uns eine ältere Dame, der seit ihrer Geburt die Nase aufgrund eines genetischen Defekts fehlt. Stattdessen hat sie eine dünne Membran im Gesicht; ihr Anblick hat nicht nur ihre Eltern erschüttert, sondern macht sie auch zur Zielscheibe für Spott und Häme. Dass sie geistig nicht das hellste Licht am Firmament ist, erleichtert ihr das Dasein, bemerkt sie doch die Kränkungen kaum. Nach dem Tod ihrer Eltern - die Mutter war angesehene Heilerin im Ort, der Vater sah die Geburt des deformierten Kindes als Strafe für die Kräfte seiner Frau - hat sie deren Vermögen geerbt. Ein Reichtum, der bei einigen Tunichtguten dafür sorgt, das sie die alte Frau um ihr Vermögen erleichtern wollen. Doch da haben sie sich das falsche Opfer ausgespäht…
Beide Novellen fußen zunächst ganz im Hier und Jetzt, soll heißen im ländlichen mittleren Westen der USA ca. Mitte des 21. Jahrhunderts.
Engstrom, um bei dem selbst gewählten Pseudonym zu bleiben, stellt uns unaufgeregt ihre weiblichen Hauptfiguren vor, entfaltet den jeweiligen Plot eher gemächlich, als uns groß und abrupt zu schocken.
Das Gebotene ist weit vom Horror der heutigen Tage entfernt. Hier erwarten uns Schicksale, die einen anrühren. Wir empfinden Mitleid mit den Figuren, können ihre Lage gut verinnerlichen, sind empört ob der Behandlung, die ihnen zuteil wird.
Behutsam, fast unauffällig schleicht sich dann das Übernatürliche in die Handlung. Auf leisen Sohlen fügt die Verfasserin diese Elemente ihrem Plot hinzu, nutzt diese Szenen, um uns noch intensiver in die Handlung zu ziehen.
Das Besondere beider Novellen ist die wunderbar stimmige Zeichnung der jeweiligen Hauptfigur. Hier nimmt uns Engstrom mit deren Schicksalen gefangen, berührt uns und fesselt einen an die Seiten.