Death Parade Vol. 1 (DVD)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 04. Juni 2022 11:56

Death Parade Vol. 1
J 2015
Rezension von Elmar Huber
Wenn zwei Menschen zur selben Zeit sterben, landen sie im Quindecim, einer Zwischenwelt zwischen Leben und Tod, die aussieht wie eine edle Bar. Der Barkeeper Decim begrüßt die Neuankömmlinge, die keine Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit mehr haben, und eröffnet ihnen, dass sie nun in einem Spiel um ihr Leben gegeneinander antreten müssen. Heißt im Klartext: Eine der Personen wird wiedergeboren, die andere landet in der Hölle. Eine bewusst herbei geführte Extremsituation, in der nicht wenige von Decims Gästen ihr wahres Gesicht zeigen, um das Spiel um jeden Preis für sich zu entscheiden.
„Death Seven Darts“:
Das jungen Ehepaar Takachi und Machiko kommt ohne Erinnerung im Quindecim an. Takachi hatte die Kontrolle über das Auto verloren, und beide fanden den Tod. Das Paar muss sich nun im Dartspiel messen, wobei jede Fläche der Zielscheibe einem Körperteil des Partners entspricht und jeder Treffer entsprechende Schmerzen verursacht. Zunächst agieren beide selbstlos, doch die wiederkehrenden Erinnerungen wecken auch Hass und Wut, und das junge Paar lässt alle Masken fallen.
„Death Revenge“:
Während Takachi und Machiko um ihr Leben spielen, führt Nona, die Chefin des Quindecim, die junge Chiyuki in ihre Rolle als Assistentin und Schiedsrichterin ein. Ihre Aufgabe ist es, die Spieler zu beobachten, ihre Handlungen zu bewerten und anschließend gemeinsam mit Decim ein Urteil zu fällen.
„Rolling Ballade“:
Der Student Shigeru und ein junges Mädchen müssen im Bowling gegeneinander antreten. Je länger das Spiel dauert, desto sicherer sind beide, dass sie sich bereits als Kinder gekannt haben. Das Mädchen bestärkt ihn in seiner Überzeugung. Doch je mehr sich Shigeru erinnert, desto mehr muss er diese Erkenntnis wieder in Frage stellen.
„Death Arcade“:
Misaki, die Moderatorin einer Reality-TV-Show, landet gemeinsam mit dem depressiven Yousuke im Quindecim, wo beide ein Arcade-Spiel gegeneinander bestreiten müssen. Zunächst ist Misaki überzeugt, in einer Versteckte-Kamera-Sendung zu sein und versucht, sich von ihrer besten Seite zu präsentieren. Sie überredet sogar den labilen Yousuke, sie gewinnen zu lassen. Doch je länger das Spiel andauert, desto mehr bröckelt Misakis Fassade.
Ein hörbarer Freudenschrei ging durch die Anime-Fangemeinde, als Universum Anime eine deutsche Auswertung der 12teiligen Serie „Death Parade“ angekündigt hat. Und tatsächlich haben die Münchener hier eine exorbitant gute Serie an Land gezogen, die gleich auf mehreren Ebenen hervorragend funktioniert, ohne gleich epische Dimensionen anzunehmen. Dabei klingt die Prämisse bei aller Originalität zunächst doch reichlich formelhaft: Zwei Personen landen im Zwischenreich des Quindecim und müssen in einem Kneipenspiel gegeneinander antreten. „Der Preis ist ihr Leben“, so die Erklärung des weißhaarigen Barkeepers.
Schon Folge 1 macht es sich nicht ganz so einfach und stürzt den Zuschauer in ein moralisches Dilemma, indem ein augenscheinlich glückliches junges Pärchen gegeneinander spielen muss. Wer von beiden hat es verdient zu leben und wer zu sterben? Der Clou ist, dass die Amnesie der Spieler doch nicht von langer Dauer ist und sich immer mehr Erinnerungen Bahn brechen, die die Lage plötzlich anders beleuchten und eine neue Bewertung von Seiten des Zuschauers fordern. Die junge Ehefrau ist schwanger, also ist doch nur logisch, dass sie überleben muss. Doch was ist mit den Hinweisen, dass sie ihrem Mann untreu war und die Schwangerschaft aus einem Seitensprung in ihrer jungen Ehe resultiert? Ist da nicht die Wut und Rache ihres Mannes gerechtfertigt? So geht es nahezu im Minutentakt; der Ausgang der Episoden ist nie vorhersehbar. Und wird tatsächlich der Gewinner des Spiels wiedergeboren oder ist dies nur die irrige Erwartungshaltung unserer Leistungsgesellschaft? Denn davon hat Schiedsrichter Decim nichts erwähnt.
Man merkt schon hier, dass „Death Parade“ sehr viel mehr bietet, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Und schon Folge 2 beginnt mit der Form zu spielen, denn es handelt sich um eine Wiederholung von Folge 1 aus einer anderen Perspektive. Außerdem sieht man hier, dass Decim gern zu einigen Tricks greift und in seinen Ausführungen bewusst vage bleibt, um die Spieler auf die vorgesehene Spur zu lenken.
Die Episoden 3 und 4 folgen wieder dem grundsätzlichen Muster der Serie, bleiben jedoch durch die nach und nach wiederkehrenden Erinnerungen der Spieler und die damit verbundene Unvorhersehbarkeit spannend. Auch als Zuschauer wird es immer schwerer, ein Urteil über die einzelnen Personen zu fällen. Selbst in den Reihen der Schiedsrichter herrscht nicht immer Einigkeit.
So ist „Death Parade“ ein weiteres Beispiel dafür, wie es gute Geschichtenerzähler verstehen, ein vermeintlich starres Konzept weiterzudenken, aufzubrechen und überraschende Ergebnisse zu liefern (siehe zum Beispiel auch „Liar Game“, „Ikigami . Der Todesbote“).
Nicht weniger interessant als die Spieler sind die Figuren um Decim und die Andeutung, dass sich neben dem Quindecim noch Einiges mehr in diesem Zwischenreich zwischen Leben und Tod befindet. Schließlich hießt Quindecim 15, und die Bar befindet sich im 15. Stock. Naheliegend, dass hier noch mehr drin ist.
Auch die Optik des Anime ist phänomenal. Das Quindecim verfügt über einen phantastischen Gothic-Touch, ist düster und bunt zugleich. Die Figuren sind allesamt wunderbar gelungen, und vor allem Decim hat zweifellos das Zeug zur Kultfigur. Die Inszenierung ist gängigen Game-und-Reality-Shows nachempfunden mit teilweise ‚fliegender Kamera‘, Zeitlupen und extremen Zooms auf die Gesichter der Kandidaten oder ins Spielgeschehen. Die Erinnerungen/Rückblenden sind dagegen langsam, fast traumhaft verfremdet arrangiert.
Wie von Universum Anime nicht anders zu erwarten, ist die deutsche Präsentation großartig gelungen und auch erstklassig synchronisiert, unter anderem mit Benjamin Völz als Decim.
Als Bonus enthält die DVD den One Shot „Death Billiards“ (OmU), auf dem „Death Parade“ basiert und der schon Optik und Prämisse der Serie vorwegnimmt.
Genialer Anime und kleine Ethik-Lehrstunde mit Nachwirkung. „Death Parade“ gibt im wahrsten Wortsinn ‚spielerisch‘ den Anstoß, andere Menschen nicht nach dem ersten Eindruck zu beurteilen.