Robert Kraft: Das zweite Gesicht oder Die Verfolgung rund um die Erde 2 (Buch)

Robert Kraft
Das zweite Gesicht oder Die Verfolgung rund um die Erde 2
Kapitel 32 bis 58
Titelbild: Georg Herrting
Verlag Dieter von Reeken, 2022, Hardcover, 458 Seiten, 30,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Prinz Joachim hat sich im Verlauf des bisherigen Abenteuers dem Alten vom Berge angeschlossen. Mit und dank dessen arkanem Wissens wurde ihm die Traumwelt zugänglich gemacht - eine Welt, die - künstlich geschaffen - ein Paradies für ihre Besucher bereithält. Während der Körper, für den bei der Astralreise keine Zeit vergeht, auf Erden zurückbleibt, können die Besucher hier Jahrhunderte verbringen, ihre selbst gewählten und ausgestalteten Körper stählen und Wissen erwerben. Der Preis für die Offenbarungen aber ist hoch - für eine bestimmte Zeitdauer muss der Prinz blind allen Befehlen des Alten vom Berge folgen.

Dass ihn eine konkurrierende Geheimgesellschaft, die sich die Befreiung des Morgenlandes von den beherrschenden Europäern auf ihre Fahnen geschrieben hat entführt und in ihre Dienste zu zwingen sucht, sorgt für weiteres Unbill. Und auch die Schlüsselbrüder, die moderne Abart des Assassinenordens macht weiter von sich reden, unrühmlich versteht sich.

Währenddessen ist auch der ehemalige Jesuitenpater nicht untätig. Dank finsterer Umtriebe, Verrat und Massenmord kommt er einem wohlgehüteten Geheimnis auf die Spur - dem Mysterium, wie man seine Seele mit all dem Wissen, das man sich über die Jahrzehnte angeeignet hat, in einen anderen, jungen und gesunden Körper versetzen kann. De Facto also eine Art Unsterblichkeit.

In einer verschollenen Stadt im indischen Dschungel stoßen die Parteien aufeinander. Hierher führt es den Prinzen und seine Begleiter an Bord eines unsichtbaren Luftschiffes, hier begegnen wir einer russischen Schamanin und Hexe und hier wartet ein gar wunderliches Fahrzeug auf den Prinzen…


Robert Kraft gilt zurecht als einer der ersten Bestseller-Autoren deutscher Zunge. Seine zumeist in diversen Lieferungen erschienen Kolportage-Romane erreichten über die Jahre zigtausende begeisterter Leserinnen und Leser, die dank seines Einfallsreichtums nicht nur spannend unterhalten wurden, sondern auch - zumindest in ihrer Phantasie - fremde Länder kennenlernen durften.

1913 in 46 Lieferungen erstveröffentlicht, erwartet die Leser ein „typischer“ Robert Kraft.

Allerdings, dies fiel mir in diesem Band wie in keinem Robert Kraft vorher auf, dass der Verfasser seine Lieferungen auch und sehr ausführlich dafür nutzt, um den Leserinnen und Lesern ein wenig Kultur mitzugeben. Seitenlang schwadroniert er von wissenschaftlichen Erkenntnissen (der damaligen Zeit), wobei auch damals salonfähige Diskriminierungen gegenüber Anderen als Zeitzeugnis im Text inkludiert sind.

Die belehrenden Passagen stören dabei den Lesefluss nicht unerheblich. Der rote Faden um die Abenteuer unseres Prinzen wird immer wieder unterbrochen, dann wendet sich die Handlung über mehrere Dutzend Seiten unerwartet wieder dem Jesuitenpater zu. Alles wirkt ein klein wenig wie mit der heißen Nadel gestrickt, ohne wirkliches Konzept, wie die vielen durchaus interessanten, ja packenden Ideen in ein in sich logisches Konzept eingebaut werden sollen. Sowohl bei „Atalanta“ als auch bei „Loke Klingsor“ gab es jeweils einen durchgängigen Plot, hier vermisse ich diesen schmerzlich. Figuren, Schauplätze und Geheimnisse werden aneinandergereiht, die Phantasie und der Einfallsreichtum Krafts brodeln schier über, einzig so Manches passt nicht recht zusammen.

So findet der heutige Leser hier überholtes Wissen, diskriminierende Beschreibungen aber auch jede Menge an faszinierenden Ideen, farbenprächtigen Kulissen sowie mitreißende Abenteuer.