Euphemia von Adlersfeld-Ballestrem: Die Dame in Gelb (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 23. April 2022 11:14
Euphemia von Adlersfeld-Ballestrem
Die Dame in Gelb
Titelbild und Innenillustrationen: Angelika Pillous
Dunkelgestirn, 2022, Hardcover, 206 Seiten, 48,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Ein kurpfälzischer Graf strandet wegen eines Dammbruchs in einem kleinen Örtchen in den Niederlanden. Da der Zug auch am nächsten Tag noch nicht wieder rollt, nutzt der Sammler die Zeit, beim örtlichen Trödelhändler auf Suche nach seinem Steckenpferd zu gehen - ist er doch besessen von antiken Truhen und Kisten aller Art. Als er auf einen kleinen Reliquienschrein stößt, ist die Freude groß. Er erwirbt das Kästchen, stellt erste Untersuchungen an und stößt auf Hinweise zur Herkunft, die ihn nach Italien und auf die Britischen Inseln führen. Dass ihn, seit er den Schrein erworben hat - sofern sich dieser im selben Zimmer mit ihm befindet, -des Nächtens Alpträume heimsuchen, macht die Sache nur interessanter.
Wer nur ist die Dame in gelber Damastrobe, geschmückt mit Edelsteinen, die mit einem finsteren, ja besessenen Gesichtsausdruck auf ein unbekanntes Ziel blickt?
Der Zufall wird es weisen, stößt er in Pisa doch auf die ausgestorbene Familie Spina. Die weitläufig mit den Borgias verwandte Sippe hat einst eine ihrer Töchter mit einem britischen Adeligen verheiratet - unter der Mitgift auch eben jener kleine Reliquienschrein; doch warum nur geht die Frau nun als Geistererscheinung um, was passierte damals, dass die Seele keine Ruhe findet? Die Antwort weiß ein alter britischer Freund unseres Grafen…
Erneut lassen Eric Hantsch als Verleger und Lars Dangel als kundiger Herausgeber von sich hören. Der eine garantiert dafür, dass das Herz eines jeden Bibliophilen höherschlägt, der sndere sorgt mit seiner kundigen Expertise dafür, dass die Freunde klassischer Phantastik einmal mehr eine vergessene Perle derselben genießen dürfen.
Inzwischen kennen wir die handwerklich vorzügliche Arbeit bereits: geprägter Rücken, passend zum Titel gelber Leineneinband, Lesebändchen, hochwertiges Papier und Farbillustrationen nebst dem Schuber - da lacht das Herz des Bücherfreundes und daraus erklärt sich auch der Preis, mit dem ganz gewusst kein Gewinn erzielt werden soll.
Inhaltlich macht uns der Herausgeber einmal mehr aus seinem umfangreichen Fundus eine vergessene Perle der klassischen Phantastik zugänglich. In seinem recht ausführlichen Nachwort stellt er uns eine lange vergessene Bestseller-Autorin vor. Eine Verfasserin, die aus adeligem Hause stammend ihre Leserschaft mit einem Einblick ins Leben und Denken ihrer Standesgenossen zu faszinieren wusste. Eine Frau, die den damals so angesagten Kolportage-Romanen den Kampf angesagt hatte, die zig Auflagen ihrer Bücher an ihre Leserinnen und Leser verkaufen konnte. Und eine Frau, die heute vergessen, auch der Phantastik ihre Referenz erwies.
Vorliegender Roman legt hier beredt Zeugnis davon ab, wie geschickt sie hierbei vorging. Zum einen präsentiert sie uns einen Erzähler aus adeligem Haus - ergo kann sie das Leben desselben in die Handlung integrieren, ermöglicht ihrer Leserschar damit einen Einblick in das diesen zumeist unbekannte Dasein der Adeligen. Dazu gesellt sich dann das übernatürliche Rätsel. Wie es zu der nächtlichen Traum-Erscheinung kommt ist dabei irrelevant - es geht um die Suche nach den Hintergründen, um Aufklärung der damit verbundenen Rätsel. Dass hier der Zufall massiv mithilft, dass unser Graf immer vom Neuen geschickterweise auf Hinweise stößt, die ihn hier voranbringen wirkt ein wenig übertrieben, schmälert aber die Lesefreude nicht. Atmosphärisch dicht wirken die Szenen, in denen die Geistererscheinung unseren Erzähler heimsucht.
Zudem hat sich der Verleger große Mühe gegeben; - die Seiten ziert jeweils oben neben der Seitenzahl ein kleines Abbild des Kästchens, die Typographie des Berichts eines Pfarrers wird in einer klassisch handschriftlichen Type gesetzt, die wunderbar passenden Farbillustrationen tun ein Übriges, die Lektüre aufzulockern und bildlich umzusetzen.
So ist auch dieses kleinoktave Bändchen wieder eine sowohl handwerklich wie inhaltlich gelungene interessante Entdeckung, die nicht nur für Liebhaber klassischer Phantastik von Interesse sein dürfte.