Roseanne A. Brown: A Song of Wraiths and Ruin - Die Spiele von Solstasia (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 16. April 2022 11:30
Roseanne A. Brown
A Song of Wraiths and Ruin
Die Spiele von Solstasia
(A Song of Wraiths and Ruin, 2020)
Übersetzung: Diana Bürgel
Knaur, 2022, Paperback, 412 Seiten, 16,99 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Seit Generationen wird Solstasia, die Stadt inmitten einer unwirtlichen Wüste, von derselben Familie regiert. Einst, lange ist es her, hat ein magischer Pakt der Sippe das Überleben und den Wohlstand gesichert - der Preis allerdings ist happig, werden die Regierenden doch durch einen Bann daran gehindert, die befestigte Metropole, Sitz eines mächtigen Reiches, jemals zu verlassen.
Karina will nichts mehr als das, ihre Heimat verlassen. Sie sehnt sich nach Freiheit, will andere Länder, andere Menschen kennenlernen, will nicht länger unter der lieblosen Knute ihrer Mutter, der Herrscherin stehen. Dass sie, nachdem ihre ältere Schwester und ihr Vater bei einem Feuer umkamen, nun als Kronprinzessin die Herrschaftswürde und -bürde zu tragen hat, verängstigt die junge Frau. Ihr Herz hängt an der Musik, als Bardin tritt sie, inkognito versteht sich, in Kaschemmen der Stadt auf.
Als ihre Mutter kurz vor dem Solstasia-Fest einem Attentat zum Opfer fällt, bricht ihre Welt zusammen. Sie fühlt sich überfordert, hilflos, ist in Panik. Einen Ausweg gibt es: Sie könnte ihre Mutter von den Toten auferstehen lassen. Das Problem: dazu benötigt sie das Herz eines Königs. Der Sieger des Turniers wird sie ehelichen - dann gilt es nur noch, diesem sein Herz zu stehlen… im wahrsten Sinne des Wortes.
Vorhang auf für Malik, einen introvertierten jungen Mann, der mit seinen zwei Schwestern in die Metropole reist, um dort Arbeit und Lohn zu finden, damit die Familie nicht verhungert. Dass er dem geknechteten und verfemten Volk der Eshran angehört, macht ihre Aufgabe nicht leichter. Um die hermetisch bewachte Stadt zu betreten, nutzen sie Magie - ein Fehler, wie sich herausstellt, nimmt ein rachsüchtiger Geist doch Maliks jüngere Schwester als Opfer in Geiselhaft. Um sie zu retten, muss er der Macht das Herz der Königin bringen…
Hoppla, da hat sich der Verlag für den Auftakt eines Zweiteilers einmal wirklich etwas einfallen lassen. Die Covergestaltung selbst mit Prägedruck ist schon ein Hingucker, dazu kommt dann aber noch ein farblich passender, optisch verzierter Rundumfarbschnitt, wie man ihn bislang nur von dem Titeln der Bücherbüchse kannte. Das fällt auf, das weckt das Interesse im Allerlei der monatlichen Novitäten.
Auch inhaltlich kann das Buch überzeugen. Wir haben zwei junge Protagonisten, die beide mit sich selbst, ihren Kräften und ihrem Schicksal zu kämpfen haben. Diese werden von Brown sehr realistisch gezeichnet. Ihre Fehler, ihre innere Verzweiflung, auch ihr impulsives Handeln und die zum Teil drastische Folgen werden nicht ausgespart.
Malik ist ein Träumer, ein „Gutmensch“, der anderen helfen will, dabei aber unsicher ist, sich selbst, seinen Kräften oftmals im Weg steht. Seine Selbstzweifel, seine Ausgrenzung angesichts seiner Gabe haben ihn geprägt - wahrlich kein typisches Heldenmaterial. Doch dann entwickelt er sich, lernt manches Mal sehr schmerzhaft und reift zu einer Persönlichkeit.
Anders angelegt hat die Autorin ihren zweiten Handlungsstrang aus Sicht der Thronerbin. Karina wirkt auf uns zunächst als ein Trotzkopf, sehnt sich innerlich nach Liebe der emotional kalten Mutter und vermisst ihren Vater, von dem sie ihre künstlerische Ader geerbt hat. Immer wieder macht sie Fehler, deren Auswirkungen sie dann eben auch ausbaden muss. Auch sie wächst an ihrem Schicksal, entwickelt sich weiter.
Die Krux ist sicherlich, dass beide - um ihr jeweilig nachvollziehbares Ziel zu erreichen - das Herz des anderen benötigen. Aus diesem Zwiespalt zieht die Autorin ihre Faszination, bannt die Leser an die Seiten.
So bleibt der Eindruck eines besonderen Buchs; die auffallende, liebevolle äußere Gestaltung, die interessanten, sich entwickelnden Figuren und eine eigene Magie verbinden sich zu einer gefühlvollen Fantasy-Geschichte abseits von Schlachtengedöns oder Questen-Fantasy.