The Lady in the Car with Glasses and a Gun (DVD)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 28. März 2022 10:43

The Lady in the Car with Glasses and a Gun
F/B 2015, Regie: Joann Sfar, mit Freya Mavor, Benjamin Biolay, Elio Germano u.a.
Rezension von Elmar Huber
Dany Dorémus (Freya Mavor) arbeitet als Schreibkraft in einem Büro in Paris. Ihr Vorgesetzter Michel Caravaille (Benjamin Biolay) benötigt für eine Dienstreise bis zum nächsten Tag noch eine Abschrift seiner Unterlagen. Er schlägt Dany vor, diese doch am Abend in seinem Haus anzufertigen, um sich am nächsten Tag den Umweg ins Büro zu sparen. Schließlich kennt Dany seine Ehefrau bereits, und ein Gästezimmer zu Danys Übernachtung stünde auch zur Verfügung.
Am nächsten Tag bittet er sie noch, nachdem Dany Familie Caravaille an den Flughafen begleitet hat, den Wagen wieder zurück zu seinem Haus zu bringen. Sie willigt ein, fährt jedoch nicht zurück nach Paris, sondern nutzt die neu gewonnene Freiheit und Mobilität und biegt Richtung Cote d’Azur ab, um endlich einmal das Meer zu sehen.
Bereits bei ihrem ersten Zwischenstopp in einem Modegeschäft wird sie von einer Frau angesprochen, die vehement behauptet, Dany vom selben Morgen zu kennen. Dany geht von einem Irrtum aus, bis ihr an einer Tankstelle dasselbe passiert und ihr der Tankstellenbesitzer sogar die Reparatur am Auto zeigen kann, die er durchgeführt hat.
Es folgen noch weitere unerklärliche Ereignisse auf ihren Weg Richtung Süden. Dabei sind die vermeintlichen Verwechslungen noch Danys geringstes Problem, denn plötzlich findet sie eine Leiche im Kofferraum.
Mit „The Lady in the Car with Glasses and a Gun“ legt Tiberius Film das Remake des Mystery-Thrillers „Die Dame im Auto mit Brille und Gewehr“ vor, der in Deutschland lediglich 1970 im Kino zu sehen war und bislang keine Video- oder DVD-Auswertung erfahren hat. Eigentlich verwunderlich, wenn man sieht, welche Klassiker-‚Perlen‘ regelmäßig veröffentlicht werden.
Die titelgebende Hauptrolle spielte damals Samantha Eggar („Doctor Doolittle“, „Die Brut“, „Das Geheimnis des gelben Grabes“), die zwar zu der Zeit auch nicht von schlechten Eltern war, doch im direkten Vergleich mit der Schottin Freya Mavor eindeutig den Kürzeren zieht. Denn die neue „Lady“ beherrscht den Film von vorne bis hinten, ohne ihn dabei zu dominieren. Natürlich hilft es, dass Freya Mavor absolut klasse und sexy aussieht, doch changiert sie auch schauspielerisch überzeugend zwischen Lebenslust, wachsender Verunsicherung und Verletzlichkeit. So wird zwischenzeitlich auch noch der Verdacht geschürt, dass Dany womöglich psychisch nicht ganz auf der Höhe ist. Ein Element, das lange und gekonnt in der Schwebe gehalten wird.
Regisseur Joann Sfar visualisiert dies, indem er Danys Phantasien - zum Beispiel Sex mit ihrem Vorgesetzten - in der Art von Flashbacks zeigt, die er gar nicht weiter erklärt oder wieder aufgreift. Auch das Erzähltempo ist nicht gerade actionorientiert, und es entsteht ein andauerndes latentes Gefühl der Unsicherheit, dessen Auslöser Dany selbst sein könnte, die man gerade so schön ins Herz geschlossen hat.
Und als würde nicht alles sowieso schon phantastisch passen, punktet der Film auch noch technisch, vor allem durch den überraschenden Einsatz gleich mehrerer ungewöhnlicher Schnitttechniken, die „The Lady in the Car with Glasses and a Gun“ auch auf dieser Ebene zu einem außergewöhnlich kunstvollen Thriller machen. Selbst die Musik ist als eigenständiges Element perfekt eingesetzt und deutet bereits früh darauf hin, dass unter der anfänglich unbeschwerten Fassade etwas Bedrohliches im Gange ist.
Der Handlungsmotor ist natürlich, dass Dany an den ihr unbekannten Orten von wildfremden Menschen vermeintlich erkannt wird. Damit erinnert der Film an den surrealen Kunst-Thriller „Spuren auf dem Mond“. Einige märchenhaft anmutenden Szenen (die nächtliche Ankunft im Hotel) unterstützen dies noch. Anders als „Spuren auf dem Mond“ findet „The Lady in the Car with Glasses and a Gun“ jedoch am Ende wieder in die Realität zurück und klärt das Geschehen nachvollziehbar und beinahe Hitchcock-like auf.
Dass das Remake ebenfalls im Frankreich der frühen 70er Jahre spielt und nicht modernisiert wurde, tut ein Übriges, Freya Mavor ins rechte Licht und die rechte Garderobe zu setzen. Insgesamt strotzt der Thriller nur so vor zeitlosem Chic und Eleganz.
Der Film entstand nach einem Roman von Sébastien Japrisot, der eine ganze Hand voll Vorlagen für großartige Film-Thriller lieferte, so zum Beispiel „Mörderischer Sommer“ (mit Isabelle Adjani), „Der aus dem Regen kam“ (mit Alain Delon) oder Costa-Gavras‘ „Mord im Fahrpreis inbegriffen“. Auch „Die Dame im Auto mit Brille und Gewehr“ ist zum Lesen in deutscher Übersetzung in verschiedenen Auflagen erhältlich. Angesichts so manchen Mülls, der die Leinwände verstopft, ist es mehr als schade, dass dieser Film bei uns nicht in den Kinos zu sehen war.
„The Lady in the Car with Glasses and a Gun” ist eine sensationelle supersexy One Woman Show, ausgesprochen stylish und mysteriös und auch technisch mehr als überzeugend.