Die Wolke (Comic)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 06. November 2010 15:56
Gudrun Pausewang und Anike Hage
Die Wolke
Titelillustration und Zeichnungen von Anike Hage
Tokyopop, 2010, Taschenbuch, 176 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-3-8420-0049-0
Von Christel Scheja
„Die Wolke“ ist der Titel des mehrfach preisgekrönten Jugendbuches von Gudrun Pausewang, das 1987 erstmals erschien und die Ereignisse weiterspann, die 1986 die Welt erschüttert hatten: das Reaktorunglück von Tschernobyl. Die Öffentlichkeit wurde damals aufgerüttelt und daran erinnert, dass es weder Atombomben noch eines Krieges bedurfte, um radioaktive Verseuchung zu verursachen. Um das ganze auch für Kinder verständlich zu machen verlegte die Autorin das reale Szenario in die Grenzen der Bundesrepublik: Was würde hier geschehen, wenn eines der Atomkraftwerke an der französischen Grenze einen ähnlichen Unfall hätte? 2008 setzte Anike Hage die Geschichte zeitgemäß in einen Manga um, der zunächst bei Ravensburger erschien, nun aber bei Tokyopop neuaufgelegt wurde.
Die fünfzehnjährige Janna glaubt wie ihre Klassenkameraden und Lehrer zunächst an eine normale Übung, als Katastrophenalarm losgeht, doch sie wird schnell eines besseren belehrt. Schon auf dem Nachhauseweg, erfährt sie von einem Reaktorunfall ganz in der Nähe, auch wenn sie nicht viel mit der Information anfangen kann. Aber das Ereignis versetzt die Nachbarn irgendwie in Panik, denn sie ergreifen die Flucht und lassen dabei alles stehen und liegen. Janna will eigentlich zusammen mit ihrem Bruder auf die Eltern warten, doch diese kommen nicht. Stattdessen rufen sie bei ihr an und bitten ihre Tochter so schnell wie möglich zu einer Tante nach Hamburg zu fahren, da sie selbst das nahegelegene Schweinfurt nicht mehr verlassen können. Das Mädchen gehorcht, aber sie begreift immer noch nicht richtig, selbst als sie dann auch noch ihren Bruder verliert, der von einem panischen Autorfahrer einfach über den Haufen gefahren wird. Erst als sie selbst in einem Hospital landet, weil sie durch den Regen radioaktiv verstrahlt wurde, beginnt ihr zu dämmern, was geschehen ist und was sie erwartet...
Wie jedes „Was wäre wenn“-Szenario ist auch „Die Wolke“ eine Utopie. Aber auch eine, mit der sich die Science Fiction beschäftigt hat, seit die Spaltung von Atomkernen möglich ist. Schon der Roman bewegte jung und alt, da er das Szenario sehr lebensnah und glaubwürdig beschrieb, der Manga von Anike Hage, hält es nicht anders. Obwohl sie in der Zeit, in der der Roman erschien, nicht einmal geboren war, setzt sie die Geschichte sehr liebevoll und klar um, bringt das Ereignis und seine Folgen gerade jungen Lesern nahe, die sich noch weniger darunter vorstellen können. Auch wenn dabei viele Zeichnungen erst einmal eher harmlos wirken, so verheimlicht ihre Symbolik doch nicht, was tatsächlich geschehen ist, wenn man genauer hinsieht.
Janna ist in der Geschichte das Medium, das Kindern hilft, zu erfahren und verstehen, was Radioaktivität aus- und anrichten kann. Sicherlich endet die Geschichte mit einem Funken Hoffnung und Erleichterung, führt aber bis dahin dennoch die Auswirkungen des Grauens vor Augen: Verlust, Ausgrenzung und schließlich sogar körperliche Schäden, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Die junge Heldin leidet und zerbricht fast, wächst aber auch an den Erfahrungen die sie gemacht hat.
Gerade jetzt, wo der Atomausstieg wieder etwas nach hinten geschoben wurde, ist das Thema aktueller denn je, denn auch wenn viele Kraftwerke mittlerweile abgeschaltet wurden, gibt es immer noch genug, vor allem im Saarland und angrenzenden Elsass und die Möglichkeit einer Katastrophe wie in der Geschichte beschrieben besteht weiterhin.
Durch „Die Wolke“ beweist Anike Hage beweist, dass deutsche Mangaka nicht nur leichte und heitere Abenteuer in Szene setzen können, sondern auch bedrückende und sehr ernste Szenarien nach Jugendbuchklassiker, die selbst in der gezeichneten Version unter die Haut gehen.