Carlton Mellik III: Quicksand House (Buch)

Carlton Mellik III
Quicksand House
(Quicksand House, 2013)
Übersetzung: Manfred Sanders
Titelbild: Arndt Drechsler-Zakrewski
Festa, 2021, Hardcover, 364 Seiten, 19,99 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Ein Haus in einer fernen Zukunft. In dem riesigen Anwesen wachsen Kinder auf. Kinder, die noch nie die liebevolle Umarmung ihrer Mutter, die aufmunternden Worte ihres Vaters vernommen haben. Kinder, die eingeschlossen im Hort aufwachsen. Betreut von einer künstlichen Nanny dürfen sie ihre Zimmer nie verlassen, warten doch außerhalb des Horts die Kriecher. Was die Kriecher wirklich sind, dass ahnen die Kinder nicht. Dass sie da sind, dass sie gefährlich sind, das wissen sie.

Morgens, nach dem maschinell gefertigten Frühstück, werden sie von einer Teleportationsmaschine in die Schule versetzt - auch ein gesichertes Refugium, in dem sie lernen mit anderen Kindern zu interagieren und sich vielleicht gar ineinander zu verlieben.

Zwei dieser Kinder sind die Geschwister Polly und Zecke, wie Tick nur genannt wird. Polly wird für den Hort langsam zu groß. Ihr Geweih hat lange schon die Stirn durchstoßen, die Kleider passen auch nicht mehr. Bald schon, so die Nanny, werden ihre Eltern sie abholen kommen, Zecke wird zurückbleiben. Allerdings nicht alleine, wurde doch jüngst ein Ei geliefert, aus dem eine jüngere Schwester geschlüpft ist. Diese gilt es nun zunächst mit Blut zu nähren bis sie soweit ist, normale Kost zu sich zu nehmen.

Dann wird dieses geschützte, so geregelte Leben gestört. Die Maschinen, die ihnen die Mahlzeiten zubereiten, sind kaputt, lassen sich nicht mehr reparieren. Sie sind gezwungen, den einzigen Ort, den sie wirklich kennen, zu verlassen - sie müssen in die labyrinthischen Gänge… und sie werden bereits sehnsüchtig erwartet.


Carlton Mellick III muss eine wirklich schlimme Kindheit gehabt haben. In seinem sehr persönlich gehaltenen Vorwort beschreibt er, dass die Geschichte von Quicksand House eine sehr persönliche Geschichte ist, die durch seine Kindheit geprägt wurde. Mit und durch diese wollte er seine Traumata aufarbeiten und dem Leser an seiner Angst teilhaben lassen.

Und wirklich, die beschriebenen Vorgänge, Szenen und Begegnungen sind harter Tobak.

Die Kindheit assoziiert man mit Geborgenheit, Zuneigung, Freude und Liebe. Nichts davon, fast nichts, ist in diesen Beschreibungen zu spüren. Einzig die Nanny vermittelt den Kindern ein klein wenig Geborgenheit, ist aber darauf programmiert, sie nie zu herzen, nie zu trösten oder gar in den Arm zu nehmen. Die Kinder sollen abgehärtet werden, sollen einsam und allein heranwachsen um letztlich wohl - ja was? Der Grund bleibt zunächst offen.

Das regt den Leser natürlich zu Mitleid an. Wenn man sich in die Figuren hineinversetzt, kann man ihre Verzweiflung förmlich spüren, die Einsamkeit, das Verlorensein der heranwachsenden Wesen ist allgegenwärtig.

Dann kommt das Haus - ein ihnen unbekannter Ort, dessen dunkle, staubige Gänge nicht einladend wirken und sich zunehmend für die Geschwister als gefährlich erweist. Das hat natürlich eine gewisse Eigendynamik, das schockt aber auch durch die traumatischen Begegnungen, die Angst, die den Leser förmlich aus den Seiten heraus herausspringt.

So ist dies ein Buch, das uns neben der tollen, wunderbar stimmigen Cover-Illustration ein kindliche Protagonisten vorstellt, die trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer Einsamkeit, der emotionalen Leere, in und mit der sie aufwachsen, in die Handlung ziehen und uns betroffen machen um das, was ihnen widerfährt.