Maddrax 567: Die Erkundung der Welt, Simon Borner (Buch)

Maddrax 567
Die Erkundung der Welt
Simon Borner
Bastei, 2021, Romanheft, 68 Seiten, 2,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Matthias Hesse

Trat die Handlung der Serie zuletzt ein wenig auf der Stelle, verheißen schon Titel und Cover von Simon Borners „Maddrax“-Beitrag „Die Erkundung der Welt“ Aufbruch und Entdeckerlust. Atmosphärisch irgendwo zwischen Jules Verne und Reiseprospekt verortet, verspricht die Optik Einiges, was der Autor auch durchaus einlöst: Der Sohn des Kaisers, Victorius de Rozier, macht sich mit kleinem Luftschiff und gegen den eindringlichen Rat seiner Vertrauten auf den Weg in jene Parallelwelt, die uns bereits seit 17 Heften beschäftigt und die durch einen Weltenriss am Victoriasee betreten werden kann. 

 

Wie es zunächst den Anschein hat, ist die komplette Welt mit dem dunklen Keim infiziert, einer Art Virus, der auf die kosmische Identität des „Wandlers“ zurückgeht und seine Wirte bei gleichzeitiger reliigöser Verzückung zu willenlosen Unmenschen macht. Doch Victorius entdeckt eine Enklave freier Menschen, die sich auf einer Insel isoliert haben. Eine Insel der Seligen ist diese fortschrittliche, aber autoritär strukturierte Gemeinschaft jedoch keinesfalls.


Meine Kritik an dieser Episode lässt sich kaum spoilerfrei darlegen. Doch das Positive überwiegt und will zuerst genannt werden: Da wäre zunächst die thematische Fülle. Borner nutzt sowohl eine sich über Jahrhunderte erstreckende Nebenhandlung als auch den eigentlichen Plot, um Bezüge zur Gegenwart der Leser herzustellen. Die aktuelle Debatte um Rassismus und das schwierige Erbe der Kolonialzeit etwa, aber auch Andeutungen auf die No-Covid-Politik Australiens werden reflektiert. Darüberhinaus gelingt es Borner, das für die 64 Seiten Romanheft etwas zu groß geratene Romangeschehen mit einer schlaglichtartigen Erzählweise in Form zu stutzen, die wiederum aufgrund seines klaren und spannungsorientierten Sprachgestus' ganz aus einem Guss daherkommt.

Der Kaisersohn hat einen Begleiter. Umbusi, Zulu für Herrscher, geht auf eine eingekapselte Infektion mit dem Dunklen Keim zurück und nistet als eine Art Mister Hyde in der Psyche des manchmal etwas naiven Victorius.

Schien mir die Einführung der Figur im Roman „In Feindesland“ noch etwas bemüht und psychologisch unterkomplex ausgearbeitet, kann Borner in diesem Heft mit Umbusi punkten. Das symbiotische Spiel zwischen Victorius und dem Antagonisten in seinem Inneren bietet viele Facetten von Unterstützung, Manipulation, Trickserei und offenem Kampf, die genüsslich auserzählt werden und das eigentliche Salz in der Suppe sind.

Doch dass - hier sind sie nun, die angekündigten Spoiler! - Victorius allzu blauäugig seinen ursprünglichen Plan aus den Augen verliert, vor allem aber dass die Enklave Sou'land und mit ihr Victorius' Bettgeschichte, die Wissenschaftlerin Sanyu, schon zum Ende des Romans untergehen, ist mehr als bedauerlich. Was für eine interessante, ambivalente Community! Die Weitererzählung dieser Inselgemeinschaft und eine Verknüpfung mit den Bemühungen von Matthew Drax und der Dark Force um die Rettung seiner Welt hätten großes Potential geboten und die Serienhandlung einen spannenden Aspekt ergänzt. Schade, verschenkt.