Gemma Amor: Briefe an Laura (Buch)

Gemma Amor
Briefe an Laura
(Dear Laura, 2019)
Übersetzung: Markus Mäurer
Titelbild: Arndt Drechsler-Zakrzewski
Festa, 2021, Hardcover, 160 Seiten, 18,99 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

Einen Tag nach ihren 13. Geburtstag sieht Laura nur noch, wie ihr Freund Bobby an der Schulbushaltestelle mit dem Fahrer eines Lieferwagens spricht, lacht, dann in das Fahrzeug steigt und für immer verschwindet. An ihrem 14. Geburtstag erhält sie den ersten Brief von X. Er behauptet zu wissen, was mit Bobby geschehen ist, und er ist bereit, sein Wissen mir ihr zu teilen, wenn sie seine Forderungen erfüllt. Ein Tauschgeschäft, das von da an jedes Jahr stattfindet.

 

Der Klappentext verspricht einen perfiden, intensiven Thriller, und schon die ersten Zeilen machen deutlich, dass Laura, sogar dreißig Jahre nach Bobbys Verschwinden, immer noch nicht über den Verlust und über die Erinnerung, die X immer schmerzhaft am Leben gehalten hat, hinweg ist.

Abgründig ist „Briefe an Laura“ auf jeden Fall, doch leider hat die Novelle in ihrer Kürze gar nicht die Chance, ihre Wucht voll auszuspielen. Auch Laura selbst bleibt blass und wirkt durch ihre Reaktion auf die Briefe nicht besonders rational, sodass man als Leser emotional auf Abstand bleibt.

Es ist kaum ernsthaft nachvollziehbar, was Laura als junges Mädchen davon abhält, mit den Briefen zur Polizei zu gehen, und was sie Jahre später sogar bis zur Selbstverstümmelung treibt, nur um vielleicht etwas Brauchbares über Bobbys Verschwinden zu erfahren. Ebenso abwegig ist es, dass sie dreißig Jahre nach der Tat - inzwischen hat Laura trotz ihres Traumas eine Familie, mit der sie glücklich ist - sich erneut von dem Täter für sein abartiges Spiel einspannen lässt. Dem gegenüber stehen einige starke Szenen, zum Beispiel wenn Laura aus nächster Nähe beobachtet wird.

So wirkt „Briefe an Laura“ in der vorliegenden Form eher wie ein Rohentwurf, aus dem ein längerer Roman entstehen könnte, der dann genügend Raum für die Figuren und Lauras emotionale Triebfeder mitbringt und damit auch die Leser mehr vereinnahmt.