Simak, Clifford D.: Als es noch Menschen gab (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 08. Februar 2010 00:00
Clifford D. Simak
Als es noch Menschen gab
(City, 1952, 1973, 1976)
Deutsche Übersetzung von Tony Westermayr und von Ulrich Thiele (Vorwort, Nachwort und die Geschichte »Epilog«)
Mit einem Vorwort von Peter Watts
Heyne, 2010, Taschenbuch, 412 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-453-52628-0
Von Gunther Barnewald
Clifford D. Simak war einer der herausragendsten SF-Schriftsteller des sogenannten »Golden Age«, ein Autor mit einer ganz eigenen Stimme, der sehr individuelle Geschichten schrieb, die man als Leser entweder lieben konnte oder eher als langweilig empfand. Ähnlich wie Ray Bradbury, Jack Vance oder Cordwainer Smith war Simak ein brillanter Stilist, der ziemlich unverwechselbare Märchen erzählte, einer jener genialen Erzähler und Lagerfeuerromantiker, die man heute in der Phantastik kaum noch findet.
Erschreckenderweise ist die Neuauflage seines Episodenromans (hier erstmals mit der später entstandenen Geschichte »Epilog« versehen, die der Autor aber selbst, wie er im Nachwort verrät, nie so gerne als festen Bestandteil von »City« gesehen hat) seit über 20 Jahren das erste Werk Simaks, welches in Deutschland wieder aufgelegt wird, was eine Schande darstellt.
Dabei ist Heyne eine wunderbare Ausgabe gelungen, bei der man höchstens über das etwas naive Titelbild und vor allem über das völlig verunglückte Vorwort des Autors Peter Watts diskutieren kann. Dieser scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, Simak »vergiftetes Lob« zu spenden, indem er den Klassiker scheinbar lobt, um dann seine naturwissenschaftlichen Schwächen (leider sehr unvollständig) aufzuzählen. Was er mit dieser Korinthenkackerei beabsichtigt, wird leider nicht klar, vielleicht liegt es aber auch am beschränkten Horizont von Watts und er kann nicht anders. Wenig sagt dieser angeblich so »profilierte Autor« (so zumindest der irreführende Text am Ende des Vorworts, bedenkt man, dass Watts noch nicht so lange im Geschäft ist und noch wahrlich keine literarischen Bäume ausgerissen hat; aber bei Heyne gilt ja auch »Perry-Rhodan«-Autor Michael Marcus Thurner als einer der »bedeutendsten deutschen Science-Fiction-Autoren«) über die Faszination, die das Werk auf den Leser ausübt.
Jene Zukunftschronik also, in der Simak, enttäuscht von den Entgleisungen der menschlichen Rasse während des zweiten Weltkriegs, eine Zukunft entwirft, die ohne den Menschen auskommt, in der die Hunde dereinst ein Utopia aufbauen, in dem alle Tiere wirklich einige Brüder sind und in dem das Töten abgeschafft wurde.
Aber vorher erzählt Simak in einigen Episoden wie der Mensch sich entwickelt bis zu seinem Untergang, wie neue Rassen entstehen wie die Ameisen, die Roboter oder die Hunde, die dereinst sogar anzweifeln, ob es je eine Rasse namens Mensch gegeben haben könnte. Die intelligentesten Historiker der Hunde sind sich nicht einig, ob jene acht Episoden, aus denen »Als es noch Menschen gab« ursprünglich besteht, nur Fiktion darstellen, oder ob ein Kern Wahrheit hinter den Legenden steckt. Diese berichten, dass die Menschen dereinst die Erde beherrschten, bis der Fall der Städte eintrat durch die technische Weiterentwicklung, die es jedem erlaubte, aufs idyllische Land zu ziehen. Bis vor allem die Entwicklung von Traummaschinen geschah und die Möglichkeit entdeckt wurde, die menschliche Psyche in fremde Körper zu projizieren, was den Menschen entdecken ließ, dass die Bewohner des Jupiter, die durch die dortigen Gaswolken driften, ein paradiesisches Leben führen, weshalb die meisten Erdbewohner dorthin auswandern und sich transferieren lassen. Und so stirbt die Menschheit fast aus, während sich die letzten verbliebenen Menschen in Genf zusammenschließen und an ihrer Einsamkeit und Bedeutungslosigkeit verzweifeln, während menschliche Mutanten ganz allein für sich in der Einsamkeit leben und forschen, da ihnen das Zugehörigkeitsbewusstsein zur menschlichen Rasse und der Herdentrieb völlig abhanden gekommen sind.
Danach vollzieht sich Wunderliches, die Tiere unter Führung der Hunde errichten ein vegetarisches Utopia, ohne Töten, ohne Engstirnigkeit, Ehrgeiz und krankhaften Fortschrittsdrang. Während wilde Roboter sich von aller Führung durch die irdische Fauna emanzipieren, steigt ein Ameisenvolk auf und okkupiert fast die ganze Erde, bis nur noch ein einziges menschliches Relikt, das Haus der Websters, steht, jener Familie, deren Chronik Simak in den ersten Episoden folgt und welche die Geschichte der Erde so nachhaltig mit ihrem Wirken mit geprägt hat.
Doch auch die Ameisen sind nicht ewig, während die Tiere und auch die letzten Menschen in anderen Dimensionen verschwunden sind, um sich dort in aller Ruhe auszubreiten.
Und während die wilden Roboter den Weltraum erforschen, sitzt jener fast unsterbliche Roboter namens Jenkins vor dem uralten Haus der Websters und denkt nach über alles, was sich ereignet hat, ist er doch scheinbar der einzige, der Augenzeuge all jener zukünftigen Entwicklungen wurde.
Doch dank Clifford D. Simak sind wir alle Zeuge dieser Wunder, dieser unglaublichen Ideen und jener unsagbar wundervollen Atmosphäre, die der Autor in seinen Episoden erschafft. Was davon realistisch ist und was gegen irgendwelche naturwissenschaftlichen Gesetze verstößt, ist dabei einfach nur völlig nebensächlich.
Wer sich von einem der anrührendsten Klassiker des Genres verzaubern lassen will, der sollte sich »Als es noch Menschen gab« auf keinen Fall entgehen lassen, auch wenn es der kleinkarierten Norm eines Peter Watts nicht mehr ganz entspricht. Denn wie empfiehlt der Herausgeber der Hunde seinen Rassegenossen zu Beginn der gesammelten Episoden: »Nehmen Sie sich die Erzählungen nicht zu sehr zu Herzen, denn sonst geraten Sie in die Fallstricke von Verwirrung oder gar Wahnsinn« (Seite 21).